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1 year ago
  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. IM NAMEN DES VOLKES
  3. URTEIL
  4. I ZR 162/11
  5. Verkündet am:
  6. 25. Oktober 2012
  7. Führinger
  8. Justizangestellte
  9. als Urkundsbeamtin
  10. der Geschäftsstelle
  11. in dem Rechtsstreit
  12. Nachschlagewerk:
  13. ja
  14. BGHZ:
  15. nein
  16. BGHR:
  17. ja
  18. Covermount
  19. UrhG § 11 Satz 2; UrhWG § 10; BGB § 280 Abs. 1 Satz 1
  20. a) Eine Mindestvergütung ist zum Schutz der Urheber vor einer möglichen
  21. Entwertung ihrer Rechte nicht nur dann erforderlich, wenn mit einer wirtschaftlichen Nutzung ihrer Werke keine geldwerten Vorteile erzielt werden, sondern auch dann, wenn damit nur so geringfügige geldwerte Vorteile erzielt werden, dass eine prozentuale Beteiligung am Erlös des
  22. Verwerters unzureichend wäre (Fortführung von BGH, Urteil vom 18. Mai
  23. 1955 - I ZR 8/54, BGHZ 17, 266 - Grundig-Reporter; Urteil vom 28. Oktober 1987 - I ZR 164/85, GRUR 1988, 373 - Schallplattenimport III; Urteil vom 1. Dezember 2010 - I ZR 70/09, GRUR 2011, 720 = WRP 2011,
  24. 1076 - Multimediashow; Urteil vom 27. Oktober 2011 - I ZR 125/10,
  25. GRUR 2012, 711 = WRP 2012, 945 - Barmen Live; Urteil vom 27. Oktober 2011 - I ZR 175/10, GRUR 2012, 715 = WRP 2012, 950 - Bochumer
  26. Weihnachtsmarkt).
  27. -2-
  28. b) Eine Mindestvergütung darf allerdings nicht so hoch sein, dass die sich
  29. aus dem Beteiligungsgrundsatz ergebenden Erfordernisse zu Lasten des
  30. Verwerters in einem unangemessenen Verhältnis überschritten werden.
  31. Hiervon kann aber nicht allein deshalb ausgegangen werden, weil die
  32. Mindestvergütung den vom Verwerter mit der Verwertung des Werkes
  33. erzielten Erlös zu einem erheblichen Teil aufzehrt (Fortführung von BGH,
  34. GRUR 1988, 373 - Schallplattenimport III; Urteil vom 29. Januar 2004
  35. - I ZR 135/00, GRUR 2004, 669 = WRP 2004, 1057 - Musikmehrkanaldienst; GRUR 2011, 720 - Multimediashow; GRUR 2012, 711 - Barmen
  36. Live; GRUR 2012, 715 - Bochumer Weihnachtsmarkt).
  37. c) Wer die Rechte eines Urhebers verletzt, kann sich nicht damit entlasten,
  38. die Verwertungsgesellschaft habe ihm nach § 10 UrhWG die Auskunft erteilt, sie nehme die Rechte dieses Urhebers nicht wahr, wenn er damit
  39. rechnen musste, dass die Rechte vom Urheber selbst oder von einem
  40. Dritten wahrgenommen werden.
  41. d) Erteilt eine Verwertungsgesellschaft einem Auskunftsberechtigten die
  42. unzutreffende Auskunft, sie nehme die Rechte eines bestimmten Urhebers nicht wahr, kann dies zwar zu Schadensersatzansprüchen des Auskunftsberechtigten gegen die Verwertungsgesellschaft (§ 280 Abs. 1
  43. Satz 1 BGB), nicht aber zu einem Wegfall der von der Verwertungsgesellschaft wahrgenommenen Rechte des Urhebers führen.
  44. BGH, Urteil vom 25. Oktober 2012 - I ZR 162/11 - OLG München
  45. LG München I
  46. -3-
  47. Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 25. Oktober 2012 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bornkamm und die Richter Pokrant, Dr. Kirchhoff, Dr. Koch und Dr. Löffler
  48. für Recht erkannt:
  49. Die Revision gegen das Urteil des Oberlandesgerichts München
  50. - 6. Zivilsenat - vom 14. Juli 2011 wird auf Kosten der Beklagten
  51. zurückgewiesen.
  52. Von Rechts wegen
  53. Tatbestand:
  54. 1
  55. Die Klägerin ist die Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte (GEMA). Sie nimmt aufgrund von Berechtigungsverträgen mit den ihr angeschlossenen Komponisten, Textdichtern und
  56. Musikverlegern sowie aufgrund von gegenseitigen Wahrnehmungsverträgen mit
  57. ausländischen Verwertungsgesellschaften die urheberrechtlichen Nutzungsrechte an Musikwerken wahr.
  58. 2
  59. Die Beklagte produziert und vertreibt DVDs und lizenziert die entsprechenden Rechte. Sie beabsichtigte, mit den Verlagen der Zeitschriften „TV Movie“ und „PC Magazin“ Verträge über die Verwertung der von ihr hergestellten
  60. DVD des Spielfilms „American Werewolf 2“ als Zeitschriftenbeilage („Cover-
  61. -4-
  62. mount“) zu schließen. Auf eine E-Mail-Anfrage der Beklagten teilte ein Mitarbeiter der Klägerin mit E-Mail vom 8. Juli 2004 mit:
  63. Die nachfolgenden Filme: American Werewolf 2 [...] sind alle ohne gemapflichtige Musikinhalte >>> kostet nix!
  64. 3
  65. Die Klägerin hatte der Beklagten bereits bei früheren Verwertungen des
  66. Films auf VHS und DVD auf deren Anmeldungen vom 13. Juli 1998 (VHS) und
  67. 2. Oktober 2000 (DVD) zum Status der Musikwerke „PM“ („pas membre“ =
  68. Nicht-Mitglied) mitgeteilt; das bedeutet, dass die Musikstücke zwar urheberrechtlich geschützt sind, die Rechte aber nicht von der Klägerin wahrgenommen
  69. werden.
  70. 4
  71. Die Beklagte schloss mit den Verlagen am 13./30. Juli 2004 („TV Movie“)
  72. und am 15. Oktober 2004 („PC Magazin“) Sublizenzverträge, in denen sie ihnen
  73. das Recht zur Nutzung des Films „American Werewolf 2“ auf DVD als Zeitschriftenbeigabe einräumte. Den Zeitschriften wurden am 13. August 2004 („TV
  74. Movie“) 211.583 und am 3. Juni 2005 („PC Magazin“) 30.000 Exemplare der
  75. DVD beigelegt. Die Verkaufseinheit von Zeitschrift und DVD wurde zum Endverbraucherpreis von 3,30 € brutto („TV Movie“) und 6,99 € brutto („PC Magazin“) verkauft. Die Verlage zahlten der Beklagten nach deren Darstellung eine
  76. Stücklizenz von 0,25 € netto („TV Movie“) bzw. 0,70 € netto („PC Magazin“) pro
  77. DVD.
  78. 5
  79. Am 11. Mai 2005 teilte die Klägerin der Beklagten mit, die Erklärung vom
  80. 8. Juli 2004, wonach der Film „American Werewolf 2“ ausschließlich „gemafreie“
  81. Musik enthalte, beruhe auf einem Irrtum. Tatsächlich enthält der Film zwei Musikwerke des Komponisten W.
  82. H.
  83. , der mit der Klägerin am 28. März/25.
  84. Mai 1983 einen Berechtigungsvertrag geschlossen hat.
  85. -5-
  86. 6
  87. Die Klägerin, die vor Klageerhebung das nach § 14 Abs. 1 Nr. 1
  88. Buchst. a, § 16 Abs. 1 UrhWG vorgesehene Verfahren vor der Schiedsstelle
  89. durchgeführt hat, nimmt die Beklagte wegen der Vervielfältigung und Verbreitung des Films auf Zahlung eines Schadensersatzes von 24.520,67 € nebst
  90. Zinsen in Anspruch. Sie berechnet den Schadensersatz nach den Grundsätzen
  91. der Lizenzanalogie auf der Grundlage ihrer „Vergütungssätze für die Vervielfältigung und Verbreitung von Werken des GEMA-Repertoires in Filmvideos auf
  92. DVD zum persönlichen Gebrauch als Beigaben zu Zeitschriften oder zu sonstigen Produkten oder zu Dienstleistungen, zur Promotion von Filmvideoveröffentlichungen und zum Vertrieb über besondere Vertriebswege“ (Tarif VR-BT-H 4).
  93. Sie fordert nach Abschnitt II Ziffer 3 des Tarifs VR-BT-H 4 die Mindestvergütung
  94. von 0,175 € pro DVD, die sich unter Berücksichtigung eines Anteils der Spieldauer der Musikwerke an der Gesamtspieldauer des Films von 58% auf
  95. 0,1015 € je DVD ermäßigt. Für insgesamt 251.583 DVDs ergibt sich daraus
  96. (zuzüglich 7% Mehrwertsteuer) die Gesamtforderung von 24.520,67 €.
  97. 7
  98. Die Beklagte ist dem entgegengetreten. Sie ist der Ansicht, der Tarif sei
  99. nicht anwendbar, die Mindestvergütung sei nicht angemessen. Sie hat zudem
  100. den Einwand der unzulässigen Rechtsausübung erhoben und hilfsweise mit
  101. einem Schadensersatzanspruch wegen Verletzung der Auskunftspflicht in Höhe
  102. der Klageforderung aufgerechnet.
  103. 8
  104. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten
  105. ist ohne Erfolg geblieben. Die Beklagte verfolgt mit ihrer vom Berufungsgericht
  106. zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiter.
  107. -6-
  108. Entscheidungsgründe:
  109. 9
  110. I. Das Berufungsgericht hat angenommen, der Klägerin stehe gegen die
  111. Beklagte ein Anspruch auf Schadensersatz (§ 97 Abs. 1 Satz 1 UrhG aF) oder
  112. Wertersatz (§ 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 2, § 818 Abs. 2 BGB) in Höhe von
  113. 24.520,67 € nebst Zinsen zu. Dazu hat es ausgeführt:
  114. 10
  115. Der von der Klägerin herangezogene Tarif VR-BT-H 4 sei anwendbar.
  116. Die Verwertung als „Covermount“ unterstehe nicht dem Gesamtvertrag zwischen der Klägerin und dem Bundesverband Audiovisuelle Medien. Die Klägerin habe für diese Form des Vertriebs einen gesonderten Tarif aufstellen dürfen.
  117. Der Vertrieb einer DVD als Zeitschriftenbeilage unterscheide sich vom Vertrieb
  118. einer DVD über den Einzelhandel darin, dass für die DVD kein Preis gebildet
  119. werde. Es fehle daher ein Anknüpfungspunkt für die Bemessung der Lizenzgebühr.
  120. 11
  121. Die geforderte Mindestvergütung sei angemessen. Eine absolute Mindestvergütung sei bei einer Auswertung der Leistung des Urhebers ohne unmittelbaren wirtschaftlichen Nutzen gerechtfertigt, um einer Aushöhlung seiner
  122. Rechte vorzubeugen. Eine feste Mindestvergütung müsse aus diesem Grund
  123. aber auch bei einem niedrigen Erlös des Verwerters gelten. Die Angemessenheit des Tarifs VR-BT-H 4 könne durch einen Vergleich mit den Tonträgertarifen
  124. VR-T-H 1 und VR-T-H 2 überprüft werden. Dieser Vergleich zeige, dass sich
  125. der Tarif VR-BT-H 4 in einer Größenordnung bewege, die den Unterschieden
  126. zwischen dem Vertrieb von Video-DVDs und Audio-CDs gerecht werde.
  127. 12
  128. Die Geltendmachung der Klageforderung verstoße nicht gegen Treu und
  129. Glauben. Die Auskunft der Klägerin vom 8. Juli 2004, der hier in Rede stehende
  130. -7-
  131. Film sei „ohne gemapflichtige Musikinhalte“, sei zwar objektiv falsch. Dies genüge jedoch nicht, um den Anspruch entfallen zu lassen. Die Beklagte habe
  132. damit rechnen müssen, eine Zahlung an den Urheber selbst oder dessen Verlag leisten zu müssen, sollten die Rechte nicht von der Klägerin wahrgenommen werden.
  133. 13
  134. Die Klageforderung sei nicht durch die hilfsweise erklärte Aufrechnung
  135. mit einem Schadensersatzanspruch wegen Verletzung der Auskunftspflicht erloschen. Es sei nicht dargetan, dass durch die Pflichtverletzung ein Schaden
  136. entstanden sei. Die Beklagte habe nicht behauptet, sie hätte den Vertrag bei
  137. zutreffender Information zu anderen finanziellen Konditionen oder gar nicht abgeschlossen.
  138. 14
  139. II. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision hat keinen Erfolg.
  140. Das Berufungsgericht hat mit Recht angenommen, dass die Klägerin von der
  141. Beklagten dem Grunde nach einen nach den Grundsätzen der Lizenzanalogie
  142. zu berechnenden Wertersatz beanspruchen kann (dazu 1). Die Höhe des Ersatzanspruchs hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei nach dem von der Klägerin aufgestellten Tarif VR-BT-H 4 und der darin vorgesehenen Mindestvergütung berechnet (dazu 2). Die Geltendmachung der Forderung verstößt weder
  143. gegen Treu und Glauben (dazu 3) noch ist die Forderung durch die hilfsweise
  144. erklärte Aufrechnung mit einem Schadensersatzanspruch wegen Verletzung
  145. der Auskunftspflicht erloschen (dazu 4).
  146. 15
  147. 1. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die
  148. Klägerin von der Beklagten wegen der ohne ihre Einwilligung erfolgten Vervielfältigung (§ 16 UrhG) und Verbreitung (§ 17 Abs. 1 UrhG) der urheberrechtlich
  149. geschützten Musikwerke (§ 2 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 UrhG) ihres Repertoires dem
  150. -8-
  151. Grunde nach einen nach den Grundsätzen der Lizenzanalogie zu berechnenden Wertersatz (§ 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 2, § 818 Abs. 2 BGB) beanspruchen
  152. kann. Die Beklagte hat DVDs des Spielfilms „American Werewolf 2“ mit Musikwerken des von der Klägerin wahrgenommenen Repertoires im Zusammenwirken mit zwei Zeitschriftenverlagen ohne Einwilligung der Klägerin vervielfältigt
  153. und verbreitet. Dadurch hat die Beklagte in den Zuweisungsgehalt der von der
  154. Klägerin wahrgenommenen Rechte zur Vervielfältigung und Verbreitung der
  155. Musikwerke eingegriffen. Sie hat damit auf Kosten des Urhebers die Nutzungsmöglichkeit dieser Rechte ohne rechtlichen Grund erlangt. Da die Herausgabe des Erlangten wegen seiner Beschaffenheit nicht möglich ist, ist der
  156. Wert zu ersetzen. Der objektive Gegenwert für den Gebrauch eines Immaterialgüterrechts besteht in der angemessenen und üblichen Lizenzgebühr (vgl.
  157. BGH, Urteil vom 29. April 2010 - I ZR 68/08, GRUR 2010, 623 Rn. 33 = WRP
  158. 2010, 927 - Restwertbörse, mwN). Unter diesen Umständen kann offenbleiben,
  159. ob die Beklagte die von der Klägerin wahrgenommenen Rechte schuldhaft verletzt hat und der nach den Grundsätzen der Lizenzanalogie berechnete Ersatzanspruch daher auch als Schadensersatzanspruch (§ 97 Abs. 1 Satz 1 UrhG
  160. aF) begründet ist.
  161. 16
  162. 2. Die Höhe des Ersatzanspruchs hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei nach dem von der Klägerin aufgestellten Tarif VR-BT-H 4 und der darin vorgesehenen Mindestvergütung mit 24.520,67 € berechnet.
  163. 17
  164. a) Bestimmt der Tatrichter die angemessene Vergütung für die Einräumung eines Nutzungsrechts, kann das Revisionsgericht dies nur darauf überprüfen, ob der Tatrichter von zutreffenden rechtlichen Maßstäben ausgegangen
  165. ist und sämtliche für die Bemessung der Vergütung bedeutsamen Tatsachen
  166. berücksichtigt hat, die von den Parteien vorgebracht worden sind oder sich aus
  167. -9-
  168. der Natur der Sache ergeben (vgl. BGH, Urteil vom 27. Oktober 2011
  169. - I ZR 125/10, GRUR 2012, 711 Rn. 16 = WRP 2012, 945 - Barmen Live; Urteil
  170. vom 27. Oktober 2011 - I ZR 175/10, GRUR 2012, 715 Rn. 20 = WRP 2012,
  171. 950 - Bochumer Weihnachtsmarkt, jeweils mwN). Die Bestimmung der angemessenen Vergütung durch das Berufungsgericht hält einer solchen Nachprüfung stand.
  172. 18
  173. b) Das Berufungsgericht ist bei seiner Ermittlung der Höhe des Ersatzanspruchs dem Einigungsvorschlag der Schiedsstelle gefolgt. Das entspricht dem
  174. Grundsatz, dass sich der Tatrichter auch danach richten kann und muss, was
  175. die Schiedsstelle im vorgeschalteten oder in vergleichbaren Verfahren vorgeschlagen hat. Die Schiedsstelle ist wesentlich häufiger als das Gericht mit derartigen Verfahren befasst. Ein überzeugend begründeter Einigungsvorschlag
  176. der Schiedsstelle hat daher eine gewisse Vermutung der Angemessenheit für
  177. sich. Das gilt nicht nur für Streitfälle, die den Abschluss oder die Änderung eines Gesamtvertrages betreffen, sondern auch für Streitigkeiten zwischen Einzelnutzern und Verwertungsgesellschaften (BGH, GRUR 2012, 715 Rn. 22 f.
  178. - Bochumer Weihnachtsmarkt, mwN).
  179. 19
  180. c) Das Berufungsgericht ist ohne Rechtsfehler davon ausgegangen, dass
  181. der von der Klägerin aufgestellte Tarif VR-BT-H 4 anwendbar ist.
  182. 20
  183. aa) Berechnet die Klägerin den Schadensersatzanspruch oder - wie im
  184. Streitfall - den Wertersatzanspruch nach der angemessenen Lizenzgebühr, hat
  185. sie dieser Berechnung regelmäßig die Tarifvergütung zugrunde zu legen, die
  186. sie auch bei ordnungsgemäßer Einholung ihrer Erlaubnis für derartige Nutzungen berechnet (vgl. zum Schadensersatzanspruch BGH, Urteil vom 1. Dezem-
  187. - 10 -
  188. ber 2010 - I ZR 70/90, GRUR 2011, 720 Rn. 19 f. = WRP 2011, 1076 - Multimediashow, mwN; GRUR 2012, 715 Rn. 17 - Bochumer Weihnachtsmarkt).
  189. 21
  190. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Vergütung danach auf der Grundlage des Tarifs VR-BT-H 4 zu berechnen ist. Dieser Tarif gilt - unter anderem - für die Vervielfältigung und Verbreitung von Werken des GEMA-Repertoires in Filmvideos auf DVD zum persönlichen Gebrauch
  191. als Beigaben zu Zeitschriften. Die hier in Rede stehende Verwertung der Musikwerke als „Covermount“ fällt in den Anwendungsbereich dieses Tarifs.
  192. 22
  193. bb) Die Revision macht ohne Erfolg geltend, der von der Klägerin erstellte Tarif VR-BT-H 4 sei nicht anwendbar, weil er eine Sonderregelung für nicht
  194. gesondert regelungsbedürftige Sachverhalte treffe und damit gegen das Gebot
  195. der Gleichbehandlung verstoße. Stattdessen hätte der für die Herstellung und
  196. Verbreitung von DVDs als Tarif geltende Gesamtvertrag zwischen der Klägerin
  197. und dem Bundesverband Audiovisuelle Medien, dessen Mitglied die Beklagte
  198. sei, als Grundlage oder zumindest als Vergleichsmaßstab herangezogen werden müssen.
  199. 23
  200. Eine unmittelbare Anwendung dieses Gesamtvertrages kommt nicht in
  201. Betracht, weil dieser nach den - von der Revision insoweit nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht die hier in Rede stehende Verwertung eines Spielfilms einschließlich der darin enthaltenen Musikwerke als
  202. „Covermount“ erfasst. Er gilt zwar für den Vertrieb von Spielfilmen auf DVD,
  203. nicht aber für den Vertrieb von Spielfilmen auf DVD als Zeitschriftenbeilage.
  204. Auch eine entsprechende Anwendung des Gesamtvertrages scheidet aus. Abgesehen davon, dass die Parteien des Gesamtvertrages seine Anwendung auf
  205. den Vertrieb von Spielfilmen auf DVD als Zeitschriftenbeilage ausdrücklich aus-
  206. - 11 -
  207. geschlossen haben, verbieten es auch die bei einer solchen Verwertung bestehenden Besonderheiten, den Gesamtvertrag zur Berechnung der Vergütung als
  208. Vergleichsmaßstab heranzuziehen.
  209. 24
  210. Die Revision macht allerdings zutreffend geltend, dass die Annahme des
  211. Berufungsgerichts, beim Vertrieb einer DVD als Zeitschriftenbeilage fehle ein
  212. Anknüpfungspunkt für die Bemessung der Lizenzgebühr, weil für die DVD kein
  213. Preis gebildet werde, nicht überzeugt. Nach dem Vorbringen der Beklagten ist
  214. zwischen der Beklagten und den Zeitschriftenverlagen für die Einräumung von
  215. Nutzungsrechten am Spielfilm „American Werewolf 2“ ein Stücklizenzpreis von
  216. 0,25 € netto („TV Movie“) bzw. 0,70 € netto („PC Magazin“) pro DVD vereinbart.
  217. An diesen Preis kann die Bemessung der Lizenzgebühr grundsätzlich anknüpfen. Dennoch können die Regelungen des Gesamtvertrages bei dieser Art der
  218. Verwertung nicht als Vergleichsmaßstab herangezogen werden. Sie führen
  219. nämlich nicht zu einer angemessenen Vergütung.
  220. 25
  221. (1) Berechnungsgrundlage für die Tarife sollen nach § 13 Abs. 3 Satz 1
  222. UrhWG in der Regel die geldwerten Vorteile sein, die durch die Verwertung erzielt werden. Damit gilt auch für die Vergütungshöhe der urheberrechtliche Beteiligungsgrundsatz, nach dem der Urheber oder Leistungsschutzberechtigte an
  223. jeder wirtschaftlichen Nutzung seiner Werke oder Leistungen tunlichst angemessen zu beteiligen ist (vgl. BGH, Urteil vom 29. Januar 2004 - I ZR 135/00,
  224. GRUR 2004, 669, 670 f. = WRP 2004, 1057 - Musikmehrkanaldienst; GRUR
  225. 2012, 711 Rn. 20 - Barmen Live; GRUR 2012, 715 Rn. 26 - Bochumer Weihnachtsmarkt, jeweils mwN). Nutzt ein Verwerter das Werk durch den Vertrieb
  226. von Vervielfältigungsstücken, entspricht es dem Beteiligungsgrundsatz am
  227. ehesten, die Vergütung des Urhebers mit dem Absatz der Vervielfältigungsstücke zu verknüpfen und an die Zahl und den Preis der verkauften Exemplare zu
  228. - 12 -
  229. binden (BGH, Urteil vom 7. Oktober 2009 - I ZR 38/07, BGHZ 182, 337 Rn. 23
  230. - Talking to Addison). Danach wird eine (für sich genommen angemessene)
  231. prozentuale Beteiligung des Urhebers an den durch die Verwertung des Werkes
  232. erzielten Erlösen in der Regel zu einer angemessenen Vergütung führen.
  233. 26
  234. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist allerdings auch
  235. dann, wenn mit einer wirtschaftlichen Nutzung keine geldwerten Vorteile erzielt
  236. werden, jedenfalls eine Mindestvergütungsregelung erforderlich, um die Urheber vor einer möglichen Entwertung ihrer Rechte zu schützen (st. Rspr.; vgl.
  237. BGH, Urteil vom 18. Mai 1955 - I ZR 8/54, BGHZ 17, 266, 282 - GrundigReporter; Urteil vom 28. Oktober 1987 - I ZR 164/85, GRUR 1988, 373, 376
  238. - Schallplattenimport III; Urteil vom 1. Oktober 2010 - I ZR 70/09, GRUR 2011,
  239. 720 Rn. 31 = WRP 2011, 1076 - Multimediashow; GRUR 2012, 711 Rn. 20
  240. - Barmen Live; GRUR 2012, 715 Rn. 26 - Bochumer Weihnachtsmarkt). Dieser
  241. Grundsatz gilt auch dann, wenn mit einer wirtschaftlichen Nutzung nur geringfügige geldwerte Vorteile erzielt werden. Da bei einer Auswertung ohne oder mit
  242. nur geringfügigem wirtschaftlichen Nutzen eine Vergütung in Form einer prozentualen Beteiligung am Erlös des Verwerters leerliefe oder unzureichend wäre, kann in solchen Fällen nur eine feste Mindestvergütung die Urheber vor einer Entwertung ihrer Rechte schützen.
  243. 27
  244. (2) Bei einer Verwertung von Filmen mit Musikwerken auf DVD als Zeitschriftenbeilage gewährleistet der zwischen der Klägerin und der Beklagten geschlossene Gesamtvertrag keine angemessene Vergütung.
  245. 28
  246. Der Gesamtvertrag sieht - nach Darstellung der Beklagten - für die Einräumung des Rechts zum Vertrieb von Filmen mit Musikwerken auf DVD
  247. grundsätzlich eine prozentuale Vergütung in Höhe von 4,6% des vom Lizenz-
  248. - 13 -
  249. nehmer fakturierten Entgelts vor. Dabei ist der Anteil der Spieldauer der Werke
  250. des GEMA-Repertoires an der Gesamtspieldauer des Films zu berücksichtigen.
  251. Ferner sieht der Gesamtvertrag eine prozentuale Mindestvergütung von
  252. 0,4235% des fakturierten Entgelts vor. Dabei ist der Anteil der Spieldauer der
  253. Werke des GEMA-Repertoires an der Gesamtspieldauer des Films nicht von
  254. Bedeutung. Eine von den Erlösen des Lizenznehmers unabhängige Mindestvergütung sieht der Gesamtvertrag nicht vor.
  255. 29
  256. Beim Vertrieb von Spielfilmen auf DVD als Zeitschriftenbeilage erzielt der
  257. Lizenznehmer der Klägerin für die Einräumung des entsprechenden Rechts zur
  258. Nutzung der DVD an Zeitschriftenverlage in der Regel wesentlich geringere Erlöse als beim Vertrieb über den Einzelhandel. Das ist vor allem dem Umstand
  259. geschuldet, dass die DVD als Zeitschriftenbeilage typischerweise nicht eigenständig vermarktet, sondern zur Förderung des Verkaufs der Zeitschrift verwendet wird. Es soll daher nicht ein möglichst hoher Erlös für den Verkauf der
  260. DVD erzielt werden, vielmehr soll der Vertrieb der Zeitschrift durch eine wertvolle, aber preisgünstige Beigabe gefördert werden. Bei dieser Vertriebsform führt
  261. die im Gesamtvertrag allein vorgesehene Prozentvergütung wegen des geringen Entgelts des Lizenznehmers in der Regel nicht zu einer angemessenen
  262. Vergütung des Urhebers.
  263. 30
  264. So verhält es sich auch im Streitfall. Die für die Einräumung von Nutzungsrechten am Spielfilm „American Werewolf 2“ zwischen der Beklagten und
  265. den Zeitschriftenverlagen vereinbarte Stücklizenz beträgt nach Darstellung der
  266. Beklagten 0,25 € („TV Movie“) und 0,70 € („PC Magazin“). Nach dem Gesamtvertrag beträgt die Prozentvergütung grundsätzlich 4,6% des vom Lizenznehmer fakturierten Entgelts. Unter Berücksichtigung der Spieldauer der Werke des
  267. GEMA-Repertoires an der Gesamtspieldauer des Films von 58% ergäbe sich
  268. - 14 -
  269. im Streitfall eine Prozentvergütung von 2,668%. Daraus errechnete sich eine
  270. Vergütung von 0,0067 € („TV Movie“) und 0,0187 € („PC Magazin“) pro DVD
  271. und ein Gesamtentgelt von 1.411,25 € (0,0067 € x 211.583 DVDs) und 561 €
  272. (0,0187 € x 30.000 DVDs). Die prozentuale Mindestvergütung des Gesamtvertrages von 0,4235% des fakturierten Entgelts (ohne Anteilsberechnung) führte
  273. zu keiner höheren Vergütung. Eine Vergütung von nur 0,0067 € („TV Movie“)
  274. und 0,0187 € („PC Magazin“) pro DVD wäre für diese Art der Werkverwertung
  275. zweifellos unangemessen gering.
  276. 31
  277. d) Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei angenommen, dass die sich
  278. nach Abschnitt II Ziffer 3 des Tarifs VR-BT-H 4 errechnende Mindestvergütung
  279. angemessen ist.
  280. 32
  281. aa) Der Tarif VR-BT-H 4 sieht zunächst Prozentvergütungen vor. Diese
  282. sind auf der Grundlage der veröffentlichten höchsten Abgabepreise für den Detailhandel oder den gebundenen oder empfohlenen Detailverkaufspreis für das
  283. betreffende Filmvideo zu berechnen und betragen 7% (Abgabepreis) oder 5%
  284. (Verkaufspreis) dieser Preisgrundlage (vgl. Abschnitt II Ziffer 1 des Tarifs VRBT-H 4). Dabei errechnet sich die Vergütung für die Werke des GEMARepertoires aus dem Anteil der Spieldauer dieser Werke an der Gesamtspieldauer des Films als einziger Inhalt oder Hauptinhalt des Filmvideos (Abschnitt II
  285. Ziffer 2 des Tarifs VR-BT-H 4). Der Tarif VR-BT-H 4 enthält ferner eine Regelung über Mindestvergütungen (Abschnitt II Ziffer 3 des Tarifs VR-BT-H 4). Die
  286. Mindestvergütungen gelten in den Fällen, in denen die Prozentvergütungen
  287. niedriger liegen als die Mindestvergütungen. Die Mindestvergütung für die Werke des GEMA-Repertoires beträgt je Filmvideo 0,175 € (unter Berücksichtigung
  288. des Anteils der Spieldauer der Werke des GEMA-Repertoires an der Gesamtspieldauer des Films) oder 0,6% der Preisgrundlage der jeweiligen Prozentver-
  289. - 15 -
  290. gütung (ohne Anteilsberechnung), je nachdem welcher Betrag höher ist. Danach ist im Streitfall die Mindestvergütung von 0,175 € pro DVD geschuldet, die
  291. sich unter Berücksichtigung eines Anteils der Spieldauer der Musikwerke an der
  292. Gesamtspieldauer des Films von 58% auf 0,1015 € je DVD ermäßigt. Für insgesamt 251.583 DVDs ergibt sich daraus (zuzüglich 7% Mehrwertsteuer) die
  293. von der Klägerin geltend gemachte Gesamtforderung von 24.520,67 €.
  294. 33
  295. bb) Das Berufungsgericht hat die nach Abschnitt II Ziffer 3 des Tarifs VRBT-H 4 zu errechnende Mindestvergütung von 0,1015 € je DVD aufgrund eines
  296. Vergleichs mit der nach den Tonträgertarifen VR-T-H 1 und VR-T-H 2 zu errechnenden Mindestvergütung als angemessen erachtet. Das ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
  297. 34
  298. Der Tatrichter kann die Angemessenheit des angewendeten Vergütungssatzes an anderen Vergütungssätzen für vergleichbare Nutzungen überprüfen (vgl. BGH, Urteil vom 1. Juni 1983 - I ZR 98/81, GRUR 1983, 565, 567 Tarifüberprüfung II; Urteil vom 5. April 2001 - I ZR 132/98, GRUR 2001, 1139,
  299. 1142 = WRP 2001, 1345 - Gesamtvertrag privater Rundfunk). Das Berufungsgericht hat - wie schon die Schiedsstelle - die nach dem Tarif VR-BT-H 4 zu
  300. errechnende Mindestvergütung mit den Mindestvergütungen verglichen, die
  301. sich bei einer Anwendung der „Vergütungssätze für die Vervielfältigung von
  302. Werken des GEMA-Repertoires auf handelsüblichen Tonträgern (Schallplatten,
  303. Musikkassetten, Compact Discs, Minidiscs und Digital Compact Cassetten) und
  304. deren Verwertung zum persönlichen Gebrauch“ (Tarif VR-T-H 1) sowie der
  305. „Vergütungssätze für die Vervielfältigung von Werken des GEMA-Repertoires
  306. auf Tonträgern zur Verbreitung zum persönlichen Gebrauch als Beigaben zu
  307. Zeitschriften oder zu sonstigen Produkten oder zu Dienstleistungen, zur Promotion von Tonträgerveröffentlichungen und zum Vertrieb über besondere Ver-
  308. - 16 -
  309. triebswege“ (Tarif VR-T-H 2) ergäbe. Diese Tarife sind nach den von der Revision insoweit nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts als solche angemessen. Der Tonträgertarif VR-T-H 2 ist - wie das Berufungsgericht
  310. unter Bezugnahme auf die Ausführungen des Landgerichts zutreffend angenommen hat - ein geeigneter Vergleichsmaßstab, da er, wie auch der Tarif VRBT-H 4, die hier in Rede stehende Vervielfältigung und Verbreitung von Werken
  311. des GEMA-Repertoires auf Datenträgern zum persönlichen Gebrauch als Beigaben zu Zeitschriften erfasst. Nach Abschnitt II Ziffer 2 des Tarifs VR-T-H 2
  312. betrüge die Mindestvergütung für den Vertrieb eines entsprechenden Tonträgers als Zeitschriftenbeilage etwa 0,35 € und läge damit ganz erheblich über
  313. der Mindestvergütung nach Abschnitt II Ziffer 3 des Tarif VR-BT-H 4 von
  314. 0,1015 €. Aus diesem Umstand hat das Berufungsgericht - ebenso wie schon
  315. die Schiedsstelle und das Landgericht - auf die Angemessenheit der Mindestvergütung nach Abschnitt II Ziffer 3 des Tarifs VR-BT-H 4 geschlossen. Die
  316. gegen diese tatrichterliche Beurteilung gerichteten Einwände der Revision greifen nicht durch.
  317. 35
  318. Die Revision macht vergeblich geltend, angesichts der unterschiedlichen
  319. rechtlichen und wirtschaftlichen Gegebenheiten verbiete es sich, die Angemessenheit des Video-DVD-Tarifs durch einen Vergleich mit den Audio-CD-Tarifen
  320. zu begründen. Das Berufungsgericht habe nicht hinreichend berücksichtigt,
  321. dass bei einer Nutzung von Musikwerken ausschließlich der Komponist, bei
  322. einer Nutzung von Filmen dagegen eine Vielzahl von Urhebern berechtigt sei.
  323. Es sei nicht nachvollziehbar, weshalb von diesen gerade der Musikurheber besonders schützenswert sein sollte. Unter Berücksichtigung der übrigen an der
  324. Herstellung eines Films mitwirkenden Berechtigten sei nach den Grundsätzen
  325. des - aus dem Jahr 1984 stammenden - „Schricker-Gutachtens“ lediglich eine
  326. Vergütung des Musikurhebers in Höhe von 0,84% des Erlöses des Verwerters
  327. - 17 -
  328. angemessen. Zudem habe das Berufungsgericht das Vorbringen der Beklagten
  329. nicht berücksichtigt, wonach einem Vergleich des Bildtonträgertarifs mit den
  330. Tonträgertarifen entgegenstehe, dass die Preisentwicklung im CD-Bereich relativ stabil, im DVD-Bereich dagegen relativ instabil sei.
  331. 36
  332. Das Berufungsgericht hat angenommen, der erhebliche Abstand der
  333. nach dem Tarif VR-BT-H 4 zu errechnenden Vergütungen zu den nach den
  334. Tonträgertarifen zu entrichtenden Vergütungen trage dem Umstand hinreichend
  335. Rechnung, dass bei der Video-DVD-Verwertung nicht nur die Vergütungsansprüche der Musikurheber, sondern auch die der Filmurheber zu berücksichtigen seien. Die tatrichterliche Beurteilung des Berufungsgerichts, die Mindestvergütung des Tarifs VR-BT-H 4 bewege sich im Vergleich zu den Mindestvergütungen der Tonträgertarife in einer Größenordnung, die den Unterschieden
  336. bei einer Verwertung von Video-DVDs und Audio-CDs gerecht werde, lässt keinen Rechtsfehler erkennen. Insbesondere ist das Berufungsgericht bei dieser
  337. Beurteilung nicht davon ausgegangen, die Musikurheber seien gegenüber anderen an der Herstellung eines Films mitwirkenden Berechtigten besonders
  338. schützenswert. Das Berufungsgericht hat nicht angenommen, das Gebot einer
  339. vom Umsatz und Gewinn des Werknutzers unabhängigen Mindestvergütung
  340. gelte nur zugunsten der Musikurheber und nicht zugunsten aller Urheber. Soweit die Revision geltend macht, eine Vergütung des Musikurhebers sei nur in
  341. Höhe von 0,84% des Erlöses des Verwerters angemessen, vernachlässigt sie,
  342. dass es im Streitfall einer vom Erlös des Verwerters unabhängigen Mindestvergütung bedarf, um eine Entwertung der Rechte der Urheber zu verhindern.
  343. 37
  344. Die Revision rügt weiter ohne Erfolg, die Annahme des Berufungsgerichts, der Tarif VR-BT-H 4 sei angemessen, weil die Tonträgertarife zu einer
  345. wesentlich höheren Vergütung führen würden, sei nicht tragfähig, weil mit die-
  346. - 18 -
  347. ser Argumentation jeder Tarif als angemessen einzustufen wäre, der eine geringere Vergütung als der reine Musiktarif vorsehe.
  348. 38
  349. Das Berufungsgericht hat die Angemessenheit der nach dem Tarif VRBT-H 4 zu errechnenden Mindestvergütung nicht allein aus dem Umstand hergeleitet, dass die nach den Tonträgertarifen zu errechnende Mindestvergütung
  350. erheblich höher wäre. Vielmehr hat es bei seiner Beurteilung die Besonderheiten beider Tarife und der davon erfassten Werkverwertungen berücksichtigt und
  351. gewichtet. Insbesondere hat es bedacht, dass der Anteil der Musiknutzung am
  352. Gesamtumfang des Verwertungsvorgangs (§ 13 Abs. 3 Satz 3 UrhWG) beim
  353. Vertrieb von Bildtonträgern geringer ist als beim Vertrieb von reinen Tonträgern
  354. und der Bildtonträgertarif bereits aus diesem Grund zu einer geringeren Vergütung als die Tonträgertarife führt.
  355. 39
  356. cc) Die Revision macht auch vergeblich geltend, das Berufungsgericht
  357. habe das Vorbringen der Beklagten nicht beachtet, dass die Mindestvergütung
  358. nach Abschnitt II Ziffer 3 des Tarifs VR-BT-H 4 sie unangemessen belaste. Die
  359. Beklagte habe vorgetragen, dass in der Praxis die Regelvergütung des Tarifs
  360. VR-BT-H 4 leerlaufe und die Mindestvergütung der einzige Anwendungsbereich
  361. des Tarifs sei. Sie habe weiter vorgetragen, dass sie bei Anwendung der Mindestvergütung knapp die Hälfte des aus der Verwertung der Filmrechte durch
  362. Einräumung der Sublizenzrechte an die Zeitschriftenverlage erzielten Erlöses
  363. abzugeben habe; die von der Klägerin beanspruchte Stückvergütung von
  364. 0,1015 € betrage 40% des mit der Zeitschrift „TV Movie“ (0,25 €) und 15% des
  365. mit der Zeitschrift „PC Magazin“ (0,70 €) erzielten Umsatzes der Beklagten. Sie
  366. habe schließlich vorgetragen, dass dies unverhältnismäßig sei und prohibitiv
  367. wirke, weil sie einem starken Preiskampf unterworfen und zu einer scharfen
  368. Kalkulation gezwungen sei.
  369. - 19 -
  370. 40
  371. Eine Mindestvergütung darf allerdings nicht so weit gehen, dass der Beteiligungsgrundsatz zu Lasten des Verwerters in einem unangemessenen Verhältnis überschritten wird (vgl. BGH, GRUR 1988, 373, 376 - Schallplattenimport III; GRUR 2004, 669, 670 f. - Musikmehrkanaldienst; GRUR 2011, 720 Rn.
  372. 31 - Multimediashow; GRUR 2012, 711 Rn. 20 - Barmen Live; GRUR 2012, 715
  373. Rn. 26 - Bochumer Weihnachtsmarkt). Allein mit der Erwägung, der vom Verwerter mit der Verwertung des Werkes erzielte Erlös werde durch eine Mindestvergütung zu einem erheblichen Teil aufgezehrt, lässt sich jedoch nicht begründen, dass der Beteiligungsgrundsatz zu Lasten des Verwerters in einem unangemessenen Verhältnis überschritten wird.
  374. 41
  375. Das Urheberrecht und die mit ihm verbundenen Nutzungsrechte stellen
  376. Eigentum im Sinne von Art. 14 Abs. 1 GG dar. Es wäre mit der Gewährleistung
  377. des Eigentums nach Art. 14 Abs. 1 GG nicht zu vereinbaren, aus dem geringen
  378. Umsatz, den der ohne Lizenzgebühren kalkulierende Urheberrechtsverletzer
  379. erzielt hat, auf eine entsprechende Begrenzung des nach § 97 UrhG zu gewährenden Schadensersatzes in Form der fiktiven Lizenzgebühr zu schließen, weil
  380. damit über den Wert des Urheberrechts im Endeffekt dessen Verletzer entschiede (BVerfG, Kammerbeschluss vom 25. Oktober 2002 - 1 BvR 2116/01,
  381. NJW 2003, 1655, 1656). Für den gleichfalls nach der fiktiven Lizenzgebühr zu
  382. berechnenden Wertersatz wegen unbefugten Eingriffs in das Urheberrecht gelten diese Überlegungen entsprechend.
  383. 42
  384. Es kommt auch nicht darauf an, ob der Verwerter einem starken Preiskampf ausgesetzt ist und deshalb nur geringe Erlöse erzielt und aufgrund der
  385. geringen Erlöse allein die Mindestvergütungsregelung anwendbar ist. Das Risiko des Verwerters, bei der wirtschaftlichen Verwertung des Urheberrechts den
  386. wirtschaftlichen Erfolg zu verfehlen, darf nicht zu einem erheblichen Teil dem
  387. - 20 -
  388. Urheber aufgebürdet werden, gegen oder ohne dessen Willen die Verwertung
  389. erfolgte. Die schon durch die rechtswidrige Vervielfältigung und Verbreitung
  390. missachtete Dispositionsbefugnis des Urhebers würde durch eine solche Berechnung des Schadensersatzes oder Wertersatzes ein zweites Mal in einer mit
  391. der Privatnützigkeit des Eigentums nicht mehr zu vereinbarenden Weise entwertet (BVerfG aaO).
  392. 43
  393. Das von der Revision als übergangen gerügte Vorbringen der Beklagten,
  394. sie sei einem starken Preiskampf unterworfen und zu einer scharfen wirtschaftlichen Kalkulation gezwungen, rechtfertigt nicht den Schluss, die von der Klägerin geforderte Mindestvergütung von etwa 10 Cent pro DVD wirke, wie die Revision geltend macht, prohibitiv und stehe einer wirtschaftlich sinnvollen Verwertung der DVD als Zeitschriftenbeilage („Covermount“) durch die Beklagte entgegen.
  395. 44
  396. 3. Die Geltendmachung der Klageforderung verstößt nicht gegen Treu
  397. und Glauben.
  398. 45
  399. a) Zwar kann die Ausübung eines Rechts nach Treu und Glauben im
  400. Einzelfall unzulässig sein, wenn dem Berechtigten eine mit seinem Anspruch in
  401. engem Zusammenhang stehende schwerwiegende Verletzung eigener Pflichten zur Last fällt (BGH, Urteil vom 15. November 2006 - VIII ZR 166/06, NJW
  402. 2007, 504 Rn. 17 mwN). Davon abgesehen führt die Verletzung eigener Pflichten durch den Gläubiger jedoch grundsätzlich nur zu Gegenansprüchen des
  403. Schuldners und hindert den Gläubiger grundsätzlich nicht an der Geltendmachung seines Anspruchs (BGH, Urteil vom 26. November 2004 - V ZR 90/04,
  404. NJW-RR 2005, 743, 745, mwN). Allein darin, dass die Klägerin der Beklagten
  405. irrtümlich eine objektiv unzutreffende Auskunft über die GEMA-Freiheit der
  406. - 21 -
  407. Filmmusik erteilt hat, liegt keine Pflichtverletzung, die so schwerwiegend ist,
  408. dass sie nicht nur Schadensersatzansprüche der Beklagten begründen, sondern sogar zu einem Wegfall des Ersatzanspruchs der Klägerin führen könnte.
  409. 46
  410. b) Allerdings kann die Ausübung eines Rechts gemäß § 242 BGB auch
  411. wegen widersprüchlichen Verhaltens ausgeschlossen sein, wenn der Berechtigte durch sein Verhalten dem Verpflichteten gegenüber einen Vertrauenstatbestand geschaffen hat, zu dem er sich nicht entgegen den Grundsätzen von Treu
  412. und Glauben in Widerspruch setzen darf (vgl. BGH, Urteil vom 18. Oktober
  413. 2007 - I ZR 24/05, GRUR 2008, 614 Rn. 24 = WRP 2008, 794 - ACERBON,
  414. mwN).
  415. 47
  416. Die Beklagte kann sich jedoch nicht mit Erfolg darauf berufen, sie habe
  417. aufgrund der Auskunft der Klägerin darauf vertrauen dürfen, keine Lizenzgebühren für die Nutzung der Filmmusik zahlen zu müssen. Die Beklagte durfte
  418. die Auskunft der Klägerin vom 8. Juli 2004, der Film „American Werewolf 2“
  419. enthalte keine „gemapflichtige“ Musik, nur so verstehen, dass die Rechte des
  420. Komponisten nicht von der Klägerin wahrgenommen werden, zumal die Klägerin der Beklagten bereits auf frühere Anfragen als Status der Musikwerke
  421. (fälschlich) „PM“ („pas membre“ = Nicht-Mitglied) mitgeteilt hatte, was bedeutet,
  422. dass die Musikstücke zwar urheberrechtlich geschützt sind, die Rechte aber
  423. nicht von der Klägerin wahrgenommen werden. Die Beklagte musste daher
  424. damit rechnen, an den Urheber selbst oder dessen Verlag eine Zahlung leisten
  425. zu müssen.
  426. 48
  427. Die Beklagte kann sich entgegen der Ansicht der Revision nicht mit Erfolg darauf berufen, sie sei davon ausgegangen, dass in Bezug auf die Musikwerke der US-amerikanischen Filmproduktion eine „Buy-out-Vereinbarung“ ab-
  428. - 22 -
  429. geschlossen worden sei oder sämtliche Beiträge als „Works made for hire“ hergestellt worden seien. Auch bei US-amerikanischen Filmproduktionen kann
  430. nicht einfach unterstellt werden, dass sämtliche Urheberrechte aufgrund einer
  431. „Buy-out-Vereinbarung“ oder - weil es sich um „Works made for hire“ handelt beim Filmhersteller liegen. Deshalb hätten nur entsprechende Nachforschungen
  432. ein berechtigtes Vertrauen der Beklagten begründen können.
  433. 49
  434. Diese Beurteilung steht entgegen der Ansicht der Revision mit der Senatsentscheidung „Schallplattenimport III“ in Einklang. Danach trägt allerdings
  435. grundsätzlich der Nutzer das Risiko einer Rechtsverletzung, soweit er von seinem Auskunftsanspruch nach § 10 UrhWG keinen Gebrauch gemacht hat (vgl.
  436. BGH, GRUR 1988, 373, 375 - Schallplattenimport III). Daraus ergibt sich aber
  437. nicht im Umkehrschluss, dass der Nutzer das Risiko einer Rechtsverletzung
  438. nicht trägt, soweit er von der Klägerin die Auskunft erhalten hat, sie nehme die
  439. Rechte des Urhebers nicht wahr. Allein die Geltendmachung des Auskunftsanspruchs gegenüber der Klägerin kann den Schuldner jedenfalls dann nicht entlasten, wenn der Nutzer - wie hier - damit rechnen muss, dass die Rechte des
  440. Urhebers von diesem selbst oder einem Dritten wahrgenommen werden.
  441. 50
  442. Die Beklagte kann sich schließlich nicht mit Erfolg darauf berufen, sie
  443. habe aufgrund der Auskunft der Klägerin darauf vertrauen dürfen, jedenfalls an
  444. die Klägerin keine Lizenzgebühren für die Nutzung der Filmmusik zahlen zu
  445. müssen. Dem steht bei der gebotenen Abwägung der betroffenen Interessen
  446. entgegen, dass die Klägerin nicht ihre eigenen Rechte verfolgt, sondern die
  447. Rechte der Urheber als Treuhänderin wahrnimmt. Eine unzutreffende Auskunft
  448. der Klägerin kann daher zwar - bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen - zu Schadensersatzansprüchen gegen sie, grundsätzlich aber nicht zu einem Wegfall der von ihr wahrgenommenen Rechte der Urheber führen.
  449. - 23 -
  450. 51
  451. 4. Die Klageforderung ist nicht durch die - hilfsweise erklärte - Aufrechnung mit einem Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB wegen
  452. Verletzung der Auskunftspflicht aus §10 UrhWG erloschen.
  453. 52
  454. Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann
  455. der Gläubiger gemäß § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Auch die Verletzung einer Pflicht aus einem gesetzlichen Schuldverhältnis kann danach einen Schadensersatzanspruch begründen (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 71. Aufl., § 280 Rn. 9). Die Verwertungsgesellschaft ist nach § 10 UrhWG verpflichtet, jedermann auf schriftliches Verlangen Auskunft darüber zu geben, ob sie Nutzungsrechte an einem bestimmten Werk oder bestimmte Einwilligungsrechte oder Vergütungsansprüche für
  456. einen Urheber oder Inhaber eines verwandten Schutzrechts wahrnimmt.
  457. 53
  458. Das Berufungsgericht hat angenommen, ein Schadensersatzanspruch
  459. wegen Verletzung der Auskunftspflicht aus § 10 UrhWG scheide aus, weil die
  460. Beklagte nicht dargetan habe, dass ihr durch die objektiv unrichtige Auskunft
  461. der Klägerin ein Schaden entstanden sei. Die Beklagte habe nicht etwa behauptet, dass sie bei zutreffender Auskunft der Klägerin den Vertrag mit den
  462. Verlagen zu anderen finanziellen Konditionen oder gar nicht abgeschlossen
  463. hätte.
  464. 54
  465. Die Revision rügt ohne Erfolg, das Berufungsgericht habe bei seiner Beurteilung das Vorbringen der Beklagten außer Acht gelassen, dass die zutreffende Information über die GEMA-Pflichtigkeit des Spielfilms bei der Vertragsgestaltung mit den beiden Verlagen berücksichtigt worden sei. Der von der
  466. Revision als übergangen gerügte Vortrag der Beklagten lässt offen, inwieweit
  467. ein Hinweis auf die Wahrnehmung der Rechte durch die Klägerin die Gestal-
  468. - 24 -
  469. tung der Sublizenzverträge mit den Zeitschriftenverlagen beeinflusst hätte und
  470. ob infolgedessen die Vermögenslage der Beklagten dann günstiger wäre, als
  471. sie es tatsächlich ist.
  472. 55
  473. III. Danach ist die Revision gegen das Berufungsurteil auf Kosten der
  474. Beklagten (§ 97 Abs. 1 ZPO) zurückzuweisen.
  475. Bornkamm
  476. Pokrant
  477. Koch
  478. Kirchhoff
  479. Löffler
  480. Vorinstanzen:
  481. LG München I, Entscheidung vom 26.05.2010 - 21 O 19436/09 OLG München, Entscheidung vom 14.07.2011 - 6 U 3495/10 -