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1 year ago
  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. BLw 5/13
  4. vom
  5. 25. April 2014
  6. in der Landwirtschaftssache
  7. Nachschlagewerk:
  8. ja
  9. BGHZ:
  10. nein
  11. BGHR:
  12. ja
  13. GrdstVG § 9 Abs. 5
  14. a) Die Behörde darf die Genehmigung eines Vertrags über die Veräußerung eines
  15. land- oder forstwirtschaftlichen Grundstücks auch dann nicht nach § 9 Abs. 1 Nr. 1
  16. GrdstVG versagen, wenn sie den Vertrag, obwohl das Vorkaufsrecht nach dem
  17. Reichssiedlungsrecht hätte ausgeübt werden können, entgegen § 12 GrdstVG
  18. dem Siedlungsunternehmen nicht vorgelegt hat (Fortführung von Senat,
  19. Beschluss vom 7. Juli 1966 - V BLw 9/66, NJW 1966, 2310).
  20. GrdstVG § 9 Abs. 1 Nr. 3
  21. b) Die Genehmigung zur Veräußerung eines landwirtschaftlichen Grundstücks zu
  22. einem im Bieterverfahren ermittelten Preis ist - ungeachtet eines von einem
  23. Gutachter ermittelten niedrigeren innerlandwirtschaftlichen Verkehrswerts - nicht
  24. nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 GrdstVG zu versagen, wenn um dieselbe Fläche
  25. konkurrierende Landwirte bereit sind, einen (annähernd) gleich hohen Preis zu
  26. zahlen.
  27. BGH, Beschluss vom 25. April 2014 - BLw 5/13 - OLG Jena
  28. AG Erfurt
  29. -2-
  30. Der
  31. Bundesgerichtshof,
  32. Senat
  33. für
  34. Landwirtschaftssachen,
  35. hat
  36. am
  37. 25. April 2014 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann und die Richter
  38. Dr. Lemke und Dr. Czub sowie die ehrenamtlichen Richter Beer und Kees
  39. beschlossen:
  40. Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des Thüringer
  41. Oberlandesgerichts in Jena - Senat für Landwirtschaftssachen vom 24. Juni 2013 wird auf Kosten der Beteiligten zu 1, die den
  42. Beteiligten zu 2 und zu 5 auch die außergerichtlichen Kosten des
  43. Rechtsbeschwerdeverfahrens zu erstatten hat, zurückgewiesen.
  44. Die in dem Rechtsbeschwerdeverfahren entstandenen Gerichtsgebühren sind von der Beteiligten zu 1 nicht zu erheben.
  45. Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt
  46. 46.000 €.
  47. Gründe:
  48. I.
  49. 1
  50. Mit notariellem Vertrag vom 17. August 2010 verkaufte die Beteiligte zu 2
  51. fünf in Thüringen belegene landwirtschaftliche Grundstücke mit einer Größe
  52. von 2,5 ha zu einem Kaufpreis von 46.000 € an den Beteiligten zu 5. Die
  53. Beteiligte zu 2, die ehemals volkseigene landwirtschaftliche Grundstücke
  54. veräußert, hatte zuvor eine öffentliche Ausschreibung durchgeführt, bei der der
  55. Beteiligte zu 5 das höchste Angebot abgegeben hatte. Der Beteiligte zu 5 ist
  56. Haupterwerbslandwirt und Inhaber eines etwa 250 km von den gekauften
  57. Grundstücken entfernten landwirtschaftlichen Betriebs; er beabsichtigt nicht,
  58. diese Grundstücke selbst zu bewirtschaften, sondern will sie an einen
  59. ortsansässigen Landwirt verpachten.
  60. -3-
  61. 2
  62. Die Beteiligte zu 3 (Genehmigungsbehörde), die den Vertrag nicht dem
  63. Siedlungsunternehmen
  64. zur
  65. Entscheidung
  66. über
  67. die
  68. Ausübung
  69. des
  70. Vorkaufsrechts vorgelegt hatte, versagte mit Bescheid vom 14. Oktober 2010
  71. die Genehmigung nach dem Grundstücksverkehrsgesetz, weil die Veräußerung
  72. zum Zwecke der Verpachtung im Hinblick auf das Erwerbsinteresse
  73. ortsansässiger landwirtschaftlicher Unternehmen eine ungesunde Verteilung
  74. des Bodens bedeute und der vereinbarte Kaufpreis in einem groben
  75. Missverhältnis zum Wert des Grundstücks stehe.
  76. 3
  77. Das Landwirtschaftsgericht hat dem Antrag der Beteiligten zu 2 auf
  78. Erteilung der Genehmigung mit der Begründung stattgegeben, dass die
  79. Veräußerung auch zu einem Preis von 46.000 € der Agrarstruktur nicht
  80. widerspreche, weil bis zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung sich
  81. keine erwerbswilligen und aufstockungsbedürftigen Landwirte gemeldet hätten,
  82. die bereit gewesen seien, den noch angemessenen Kaufpreis (von 50 % über
  83. dem
  84. von
  85. dem
  86. Sachverständigen
  87. festgestellten innerlandwirtschaftlichen
  88. Verkehrswert von 27.200 €) zu zahlen.
  89. 4
  90. Mit der gegen diesen Beschluss eingelegten Beschwerde hat die
  91. Beteiligte zu 1 (die übergeordnete Behörde) zwei Erklärungen in der Nähe
  92. ansässiger Landwirte vorgelegt, die die Grundstücke für einen Preis von bis zu
  93. 41.118 € erwerben wollen. Das Oberlandesgericht (Landwirtschaftssenat) hat
  94. die Beschwerde zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich die Beteiligte zu 1 mit
  95. der zugelassenen Rechtsbeschwerde, mit der sie die Versagung der
  96. Genehmigung erreichen will.
  97. II.
  98. 5
  99. Das Beschwerdegericht (dessen Entscheidung in AUR 2013, 338 ff. veröffentlicht ist) meint, die Beteiligte zu 3 hätte die beantragte Genehmigung nicht
  100. versagen dürfen.
  101. -4-
  102. 6
  103. Eine Versagung nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrdstVG komme nach § 9 Abs. 5
  104. GrdstVG schon deshalb nicht in Betracht, weil die Beteiligte zu 3 den Vertrag
  105. nicht gemäß § 12 GrdstVG dem Siedlungsunternehmen zur Entscheidung über
  106. die Ausübung des siedlungsrechtlichen Vorkaufsrechts vorgelegt habe, obwohl
  107. die Voraussetzungen für dessen Ausübung vorgelegen hätten.
  108. 7
  109. Der Versagungsgrund nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 GrdstVG liege nicht vor,
  110. obwohl
  111. nach
  112. dem
  113. gutachterlich
  114. festgestellten
  115. innerlandwirtschaftlichen
  116. Verkehrswert ein grobes Missverhältnis zwischen dem Preis und dem Wert der
  117. Grundstücke bestehe. Eine Versagung der Genehmigung aus diesem Grund
  118. komme, wenn - wie hier - ein Landwirt Käufer sei, nur in den Ausnahmefällen in
  119. Betracht, in denen der gebotene Preis außerhalb jeder vernünftigen
  120. betriebswirtschaftlichen
  121. Kalkulation
  122. liege.
  123. Davon
  124. könne
  125. jedoch
  126. nicht
  127. ausgegangen werden, wenn zwei um die Fläche konkurrierende Landwirte
  128. einen annähernd gleich hohen Preis für den Erwerb dieser Fläche zu zahlen
  129. bereit seien.
  130. III.
  131. 8
  132. Die nach § 9 LwVG i.V.m. § 70 Abs. 1 FamFG auf Grund der Zulassung
  133. durch das Beschwerdegericht statthafte und auch im Übrigen nach § 71 Abs. 1
  134. FamFG zulässige Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Die nach § 2 Abs. 1
  135. GrdstVG erforderliche Genehmigung zu Veräußerungen landwirtschaftlicher
  136. Grundstücke, derer es auch bei den Verkäufen durch die Beteiligte zu 2 bedarf
  137. (Senat, Beschluss vom 27. November 2009 - BLw 4/09, NJW-RR 2010, 886
  138. ff.), ist von dem Landwirtschaftsgericht zu Recht nach § 22 Abs. 3 GrdstVG
  139. erteilt worden.
  140. 9
  141. 1. Rechtsfehlerfrei geht das Beschwerdegericht davon aus, dass die
  142. Beteiligte zu 3 nach § 9 Abs. 5 GrdstVG die beantragte Genehmigung nicht
  143. nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrdstVG versagen durfte.
  144. -5-
  145. 10
  146. a) Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde musste sich das Beschwerdegericht
  147. nicht
  148. landwirtschaftlicher
  149. mit der Frage befassen, ob die Veräußerung
  150. Grundstücke
  151. an
  152. einen
  153. Haupterwerbslandwirt
  154. eine
  155. ungesunde Verteilung des Grund und Bodens bedeutet, wenn der Käufer
  156. wegen der zu großen Entfernung von seiner Hofstelle das Kaufgrundstück nicht
  157. selbst bewirtschaften kann. Das ist hier nach § 9 Abs. 5 GrdstVG nicht zu
  158. prüfen. Diese Vorschrift bestimmt, dass dann, wenn die Voraussetzungen
  159. vorliegen, unter denen das Vorkaufsrecht nach dem Reichssiedlungsgesetz
  160. ausgeübt werden kann, jedoch nicht ausgeübt wird, die Genehmigung nach
  161. (§ 9) Absatz 1 Nr. 1 nur versagt werden kann, falls es sich um die Veräußerung
  162. eines
  163. land-
  164. oder
  165. forstwirtschaftlichen
  166. Betriebes
  167. handelt.
  168. Dass
  169. die
  170. Voraussetzungen für die Ausübung des Vorkaufsrechts nach § 4 Abs. 1 RSG
  171. vorlagen, hat das Beschwerdegericht rechtsfehlerfrei festgestellt.
  172. 11
  173. b) Die Rechtsbeschwerde erhebt insoweit auch keine Einwendungen,
  174. sondern meint, dass § 9 Abs. 5 GrdstVG nur dann einschlägig sei, wenn ein mit
  175. einem Nichtlandwirt geschlossener Vertrag wegen des Erwerbsinteresses
  176. anderer Landwirte nicht hätte genehmigt werden können und die Behörde die
  177. Genehmigung versage, ohne dass siedlungsrechtliche Vorkaufsrecht geprüft zu
  178. haben.
  179. 12
  180. aa) Das widerspricht indessen dem Regelungsinhalt der Norm. Der
  181. Senat hat bereits entschieden, dass bei Nichtausübung des Vorkaufsrechts,
  182. falls ein Versagungsgrund nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 3 GrdstVG nicht
  183. vorliegt,
  184. die
  185. Genehmigung
  186. eines
  187. Vertrags
  188. über
  189. die
  190. Veräußerung
  191. landwirtschaftlicher Grundstücke ohne weitere Prüfung zu erteilen ist, also auch
  192. dann, wenn der Erwerber schon genug Land hat oder das Grundstück zu
  193. anderen als landwirtschaftlichen Zwecken verwendet werden soll oder
  194. Landwirte das Grundstück dringend brauchen und auch erwerben wollen
  195. (Beschluss vom 7. Juli 1966 - V BLw 9/66, NJW 1966, 2310). An dieser
  196. Rechtsprechung, die von den Oberlandesgerichten (vgl. OLG Stuttgart, RdL
  197. -6-
  198. 1970, 232; OLG Frankfurt, RdL 2005, 274, 275; OLG Jena, AuR 2013, 340,
  199. 341) und im Schrifttum (Netz, GrdstVG, 6. Aufl., § 9 Anm. 4.10.7, S. 559) geteilt
  200. wird, hält der Senat fest.
  201. 13
  202. bb) Die in § 9 Abs. 5 GrdsVG bestimmte Rechtsfolge tritt auch dann ein,
  203. wenn wegen eines erheblich über dem innerlandwirtschaftlichen Verkehrswert
  204. liegenden Kaufpreises die Ausübung des Vorkaufsrechts nicht zu erwarten war.
  205. Da das Siedlungsunternehmen den Vertrag nur als Ganzes oder überhaupt
  206. nicht übernehmen kann, ist es nicht zulässig, bei der Auslegung des § 9 Abs. 5
  207. GrdstVG danach zu differenzieren, ob das Siedlungsunternehmen das
  208. Vorkaufsrecht wegen der Höhe des Kaufpreises oder aus anderen Gründen
  209. nicht ausgeübt hat (Senat, Beschluss vom 7. Juli 1966 - V BLw 9/66, aaO).
  210. 14
  211. cc) Die Behörde darf die Genehmigung des Vertrags auch dann nicht
  212. nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrdstVG versagen, wenn sie den Vertrag, obwohl das
  213. Vorkaufsrecht nach dem Reichssiedlungsrecht hätte ausgeübt werden können,
  214. entgegen der Bestimmung in § 12 GrdstVG dem Siedlungsunternehmen nicht
  215. vorgelegt hat. Die Behörde kann durch ein solches gesetzwidriges Verhalten
  216. weder dem Antragsteller die Vorteile entziehen, die sich für ihn nach § 9 Abs. 5
  217. GrdstVG bei Nichtausübung des siedlungsrechtlichen Vorkaufsrechts ergeben,
  218. noch den ihr zustehenden Prüfungsrahmen auf den in § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrdstVG
  219. bezeichneten Versagungsgrund erweitern (vgl. OLG Koblenz, RdL 1964, 292,
  220. 293; OLG Oldenburg, RdL 1976, 52).
  221. 15
  222. 2. Das Vorliegen des in § 9 Abs. 1 Nr. 3 GrdstVG bezeichneten
  223. Versagungsgrunds verneint das Beschwerdegericht ohne Rechtsfehler. Nach
  224. dieser Vorschrift darf die Genehmigung versagt werden, wenn Tatsachen
  225. vorliegen, aus denen sich ergibt, dass der Gegenwert in einem groben
  226. Missverhältnis zum Wert des Grundstücks steht.
  227. -7-
  228. 16
  229. a) Nach den auf einem Sachverständigengutachten beruhenden Feststellungen zum Verkehrswert wäre allerdings von einem solchen Missverhältnis
  230. auszugehen.
  231. 17
  232. aa) Der Wert des Grundstücks im Sinne dieser Vorschrift ist der
  233. innerlandwirtschaftliche Verkehrswert. Er wird durch den Preis bestimmt, der
  234. bei einem Verkauf von einem Landwirt an einen anderen erzielt wird (Senat,
  235. Beschluss vom 2. Juni 1968 - V BLw 10/68, BGHZ 50, 297, 300; Beschluss
  236. vom 27. April 2001 - BLw 14/00, WM 2001, 1569, 1570). Dieser Wert entspricht
  237. in
  238. der
  239. Regel
  240. dem
  241. durchschnittlichen
  242. Preis,
  243. der
  244. sich
  245. aus
  246. den
  247. Kaufpreissammlungen über die bei Verkäufen landwirtschaftlicher Grundstücke
  248. in der näheren Umgebung in den vergangenen Jahren erzielten Preise ergibt
  249. (vgl. Senat, Beschluss vom 2. Juni 1968 - V BLw 10/68, aaO; OLG Frankfurt,
  250. RdL
  251. 2005,
  252. 274,
  253. 276;
  254. Ehrenforth,
  255. Reichssiedlungsgesetz
  256. und
  257. Grundstücksverkehrsgesetz, § 9 GrdstVG S. 452; Netz, GrdstVG, 6. Aufl., § 9
  258. Anm.
  259. 4.12.2.1,
  260. S.
  261. 603).
  262. Auf
  263. dieser
  264. Grundlage
  265. hat
  266. der
  267. gerichtliche
  268. Sachverständige den innerlandwirtschaftlichen Verkehrswert ermittelt.
  269. 18
  270. Den Einwand der Beteiligten zu 2, die Rechtsprechung zur Bestimmung
  271. eines innerlandwirtschaftlichen Verkehrswerts sei überholt, jedenfalls aber auf
  272. die neuen Länder nicht ohne weiteres übertragbar, ist unbegründet. Der Senat
  273. hat
  274. bereits
  275. entschieden,
  276. dass
  277. das
  278. Grundstücksverkehrsgesetz
  279. bundeseinheitlich anzuwenden und den besonderen Marktverhältnissen in den
  280. neuen
  281. Ländern
  282. auf
  283. sachverständiger
  284. Ebene
  285. bei
  286. der
  287. Ermittlung
  288. des
  289. innerlandwirtschaftlichen Verkehrswerts Rechnung zu tragen ist (Senat,
  290. Beschluss vom 29. November 2013 - BLw 2/12, BzAR 2014, 104 Rn. 58). Die
  291. Anwendung von § 9 Abs. 1 Nr. 3 GrdstVG auch auf die im Bieterverfahren
  292. erzielten Preise entspricht dem Zweck des Versagungsgrunds. Die Vorschrift
  293. soll Erschwerungen des zur Verbesserung der Agrarstruktur erforderlichen
  294. Landerwerbs durch interessierte Land- und Forstwirte infolge überhöhter Preise
  295. verhindern (BVerfGE 21, 87, 90; Senat, Beschlüsse vom 2. Juni 1968
  296. -8-
  297. - V BLw 10/68, BGHZ 50, 297, 299 und vom 3. Juni 1976 - V BLw 16/75, WM
  298. 1976, 849, 851). Dem widerspräche es, wenn die Beteiligte zu 2 als größte
  299. Anbieterin solcher Flächen in den neuen Ländern bei ihren Verkäufen Preise
  300. durchsetzen
  301. könnte,
  302. welche
  303. die
  304. landwirtschaftlichen
  305. Betriebe
  306. mit
  307. Anschaffungskosten für den Grunderwerb belasteten, die ihren Bestand oder
  308. ihre Wirtschaftlichkeit bedrohten.
  309. 19
  310. bb) Danach wäre hier von einem groben Missverhältnis zwischen dem
  311. Preis (46.600 €) und dem Verkehrswert (27.300 €) auszugehen. Ein
  312. Missverhältnis im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 3 GrdstVG liegt in der Regel dann
  313. vor, wenn der vereinbarte Preis den nach den Kaufpreissammlungen
  314. ermittelten Verkehrswert um mehr als 50 vom Hundert übersteigt (Senat,
  315. Beschluss vom 2. Juni 1968 - V BLw 10/68, BGHZ 50, 297, 304; OLG
  316. Frankfurt, RdL 2005, 274, 275; OLG Jena, NJOZ, 2012, 1400, 1401; OLG
  317. Stuttgart, NJW-RR 2011, 1385, 1387).
  318. 20
  319. b) Hier nicht zu entscheiden ist die Frage, ob die zur Veräußerung
  320. landwirtschaftlicher Grundstücke erforderliche Genehmigung nach § 9 Abs. 1
  321. Nr. 3 GrdstVG auch bei einem durch öffentliche Ausschreibung zustande
  322. gekommenen Verkaufspreis versagt werden darf, wenn der Verkäufer ein dem
  323. Staat
  324. zuzurechnendes
  325. Unternehmen
  326. ist,
  327. das
  328. für
  329. dessen
  330. Rechnung
  331. landwirtschaftliche Grundstücke verkauft. In diesen Fällen stoßen die auf
  332. gesamtwirtschaftlichen und sozialen Gründen beruhende preisrechtliche
  333. Regelung in § 9 Abs. 1 Nr. 3 GrdstVG (BVerfGE 21, 87, 90) und das
  334. europarechtliche Verbot staatlicher Beihilfen (Art. 107 Abs. 1 AEUV)
  335. möglicherweise
  336. aneinander.
  337. Diese
  338. Rechtsfrage
  339. ist
  340. Gegenstand
  341. eines
  342. Vorlagebeschlusses des Senats an den Gerichtshof der Europäischen Union
  343. (Beschluss vom 29. November 2013 - BLw 2/12, BzAR 2014, 104 ff.). Sie ist
  344. allerdings dann nicht entscheidungserheblich, wenn der sich aus dem
  345. Verhältnis von Kaufpreis und Grundstückswert ergebende Versagungsgrund
  346. nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 GrdstVG nicht anzuwenden ist, weil durch die
  347. -9-
  348. Veräußerung zu diesem Preis ungünstige Auswirkungen auf die Agrarstruktur
  349. nicht zu erwarten sind (vgl. Senat, Beschluss vom 3. Juni 1976 - V BLw 16/75,
  350. WM 1976, 849, 851). So liegt es hier.
  351. 21
  352. c) Das Beschwerdegericht verneint im Ergebnis zutreffend den
  353. Versagungsgrund nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 GrdstVG unter Hinweis darauf, dass
  354. der Beteiligte zu 5 im Hauptberuf Landwirt ist und dass die um die verkauften
  355. Fläche konkurrierenden ortsnahen Betriebe mit 41.118 € einen Preis zu zahlen
  356. bereit sind, der nicht wesentlich unter dem vereinbarten Kaufpreis von 46.000 €
  357. liegt.
  358. 22
  359. aa) Für den Versagungsgrund nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 GrdstVG kommt es
  360. - anders als die Rechtsbeschwerde meint - nicht darauf an, ob der das
  361. Grundstück erwerbende Landwirt dieses selbst bewirtschaften oder verpachten
  362. will. Das ist - wie das Beschwerdegericht zutreffend darlegt - allein für die
  363. Prüfung des Versagungsgrunds nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrdstVG von Bedeutung,
  364. wenn das Erwerbsinteresse des künftigen Verpächters in Konkurrenz zu dem
  365. Erwerbsinteresse eines Landwirts tritt, der das Grundstück zur Aufstockung
  366. seines Betriebs dringend benötigt und zum Erwerb bereit und in der Lage ist
  367. (vgl. Senat, Beschluss vom 6. Juli 1990 - BLw 8/88, BGHZ 112, 86, 88 mwN).
  368. Mit dem Versagungsgrund nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 GrdstVG soll dagegen
  369. verhindert werden, dass durch Veräußerungen zu überhöhten Preisen
  370. Nachteile für die Agrarstruktur eintreten (Senat, Beschluss vom 5. Juni 1976
  371. - V BLw 16/75, AgrarR 1977, 65, 66). Nach dem Zweck dieser Vorschrift kommt
  372. es nicht darauf an, ob der Erwerber, der den hohen Preis zu zahlen bereit ist,
  373. beabsichtigt, das Grundstück selbst zu bewirtschaften oder es zu verpachten.
  374. Maßgebend
  375. ist
  376. vielmehr,
  377. dass
  378. die
  379. Veräußerung
  380. zwecks
  381. weiterer
  382. landwirtschaftlicher Nutzung des Grundstücks erfolgt und dass der vereinbarte
  383. Kaufpreis aus dem Betriebsertrag eines Berufslandwirts erwirtschaftet werden
  384. muss. Ist beides der Fall, ist davon auszugehen, dass der Preis nach
  385. - 10 -
  386. Auffassung des Erwerbers nicht zu einer Belastung führt, die die Existenz oder
  387. die Wirtschaftlichkeit seines Betriebes gefährdet.
  388. 23
  389. bb) Ob deswegen der Versagungsgrund des § 9 Abs. 1 Nr. 3 GrdstVG
  390. schon dann entfällt, wenn der Erwerber Vollerwerbslandwirt ist, ist allerdings
  391. umstritten.
  392. 24
  393. (1) Einige Oberlandesgerichte (OLG Stuttgart, NJW-RR 2011, 1385,
  394. 1387 und OLG Jena, AuR 2013, 341, 342) vertreten unter Hinweis auf Netz
  395. (GrdstVG, 6. Aufl. § 9 Anm. 4.12.6., S. 610), mit Rücksicht auf den
  396. gesetzgeberischen Zweck dürfe der Preis, den ein hauptberuflicher Landwirt zu
  397. zahlen bereit sei, nur in Ausnahmefällen nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 GrdstVG von der
  398. Behörde beanstandet werden. Es sei nämlich grundsätzlich Sache des
  399. erwerbenden Landwirts, zu überlegen, ob der angebotene Preis für ihn und
  400. seinen Betrieb sinnvoll sei. Die Behörde und das Gericht hätten diese
  401. eigenständige Kalkulation nicht zu überprüfen.
  402. 25
  403. (2) Demgegenüber vertritt das Oberlandesgericht Schleswig (AuR 1980,
  404. 254; dieser Entscheidung ebenfalls zustimmend Netz, aaO, Anm. 4.12.2.2,
  405. S. 604), dass bei der Prüfung des Versagungsgrunds auf die Gesamtheit der
  406. Landwirte, insbesondere im örtlichen Bereich, abzustellen sei. Überpreise
  407. führten im Falle der behördlichen Genehmigung der Verträge zur Erhöhung des
  408. Mittelwerts als Richtschnur des Verkehrswerts und hätten dadurch eine
  409. allgemeine Anhebung des genehmigungsfähigen Preisvolumens zur Folge. Das
  410. sei eine Gefahr, die vor allem finanzschwache Landwirte träfe. Diese Gefahr
  411. laufe konkreten Maßnahmen zur Verbesserung der Agrarstruktur zuwider und
  412. sei von dem Schutzbereich des § 9 Abs. 1 Nr. 3 GrdstVG erfasst.
  413. - 11 -
  414. 26
  415. (3) Beide Auffassungen sind in ihrer Allgemeinheit nicht richtig.
  416. 27
  417. (a) Die auf die Kalkulation nur eines Landwirts gestützten Erwägungen
  418. des Beschwerdegerichts treffen so nicht zu. Der Versagungsgrund entfällt nicht
  419. schon deswegen, weil ein Landwirt den Preis als für seinen Betrieb noch
  420. tragbar erachtet. Der mit dem Versagungsgrund in § 9 Abs. 1 Nr. 3 GrstVG
  421. verfolgte gesamtwirtschaftliche und soziale Zweck ist auf die Gesamtheit der
  422. erwerbswilligen und erwerbsbereiten Land- und Forstwirte bezogen. Durch die
  423. Genehmigung der Veräußerung eines landwirtschaftlichen Grundstücks zu
  424. einem Preis, der weit über dem innerlandwirtschaftlichen Verkehrswert liegt,
  425. sind ungünstige Auswirkungen auf die Agrarstruktur auch dann zu erwarten,
  426. wenn der zur Zahlung eines solchen Preises bereite Erwerber Landwirt ist. Die
  427. Genehmigung solcher Veräußerungen führt zu einer Erschwerung des
  428. Grunderwerbs
  429. durch
  430. interessierte
  431. Landwirte.
  432. An
  433. diesen
  434. negativen
  435. Auswirkungen, welche die Genehmigungen von Veräußerungen zu überhöhten
  436. Preisen für die Agrarstruktur insgesamt haben, ändert der Umstand
  437. grundsätzlich nichts, dass der einen solchen Preis zu zahlen bereite Erwerber
  438. Landwirt ist.
  439. 28
  440. (b) Im Ergebnis ist die angefochtene Entscheidung dennoch richtig. Die
  441. Genehmigung zur Veräußerung eines landwirtschaftlichen Grundstücks zu
  442. einem im Bieterverfahren ermittelten Preis ist - ungeachtet des von einem
  443. Gutachter ermittelten innerlandwirtschaftlichen Verkehrswerts - dann nicht nach
  444. § 9 Abs. 1 Nr. 3 GrdstVG zu versagen, wenn die um dieselbe Fläche
  445. konkurrierenden erwerbswilligen landwirtschaftlichen Unternehmen - wie hier ebenfalls bereit sind, einen (annähernd) gleich hohen Preis zu zahlen. In
  446. diesem Fall ist nämlich vor dem Hintergrund, dass Berufslandwirte keine aus
  447. dem Betriebsertrag nicht zu erwirtschaftende Kaufpreisangebote abzugeben
  448. pflegen, die Annahme begründet, dass der nach einem Bieterverfahren
  449. bestimmte
  450. Preis
  451. nicht
  452. überhöht
  453. ist.
  454. Von
  455. der
  456. Veräußerung
  457. eines
  458. landwirtschaftlichen Grundstücks zu einem Preis, der nach der Einschätzung
  459. - 12 -
  460. mehrerer
  461. (auch
  462. ortsansässiger)
  463. Landwirte
  464. aus
  465. dem
  466. Betriebsertrag
  467. erwirtschaftet werden kann, sind die ungünstigen Auswirkungen auf die
  468. Agrarstruktur, die mit dem in § 9 Abs. 1 Nr. 3 GrdstVG bestimmten
  469. Versagungsgrund abgewehrt werden sollen, nicht zu erwarten.
  470. IV.
  471. 29
  472. Die Entscheidung über die Gerichtskosten folgt aus § 44 Abs. 1, § 47
  473. Abs. 2 LwVG i.V.m. § 11 Abs. 1 Satz 1 KostO, diejenige über die
  474. außergerichtlichen Kosten ergeht nach § 45 Abs. 1 Satz 2 LwVG. Die
  475. Festsetzung des Gegenstandswerts hat ihre Grundlage in § 36 Abs. 1 Satz 1
  476. LwVG.
  477. Stresemann
  478. Lemke
  479. Vorinstanzen:
  480. AG Erfurt, Entscheidung vom 07.11.2012 - Lw 13/10 OLG Jena, Entscheidung vom 24.06.2013 - Lw U 47/13 -
  481. Czub