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1 year ago
  1. BUNDESGERICHTSHOF
  2. BESCHLUSS
  3. AnwZ (Brfg) 17/12
  4. vom
  5. 11. Juni 2012
  6. in der verwaltungsrechtlichen Anwaltssache
  7. wegen Verleihung einer Fachanwaltsbezeichnung
  8. - 2 -
  9. Der Bundesgerichtshof, Senat für Anwaltssachen, hat durch den Vorsitzenden
  10. Richter Prof. Dr. Kayser, die Richterin Lohmann, den Richter Seiters sowie die
  11. Rechtsanwälte Dr. Frey und Dr. Martini
  12. am 11. Juni 2012
  13. beschlossen:
  14. Der Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das
  15. Urteil des 2. Senats des Niedersächsischen Anwaltsgerichtshofs
  16. vom 16. Januar 2012 wird abgelehnt.
  17. Die Beklagte trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
  18. Der Geschäftswert des Zulassungsverfahrens wird auf 12.500 €
  19. festgesetzt.
  20. Gründe:
  21. I.
  22. 1
  23. Mit Schreiben vom 9. September 2010 beantragte der Kläger bei der Beklagten, ihm die Führung der Bezeichnung "Fachanwalt für Arbeitsrecht" zu gestatten. Mit Bescheid vom 5. September 2011 lehnte die Beklagte diesen Antrag ab. Auf die hiergegen gerichtete Klage hat der Anwaltsgerichtshof die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheids verpflichtet, dem Kläger die begehrte
  24. - 3 -
  25. Befugnis zu erteilen. Gegen dieses Urteil richtet sich der Antrag der Beklagten
  26. auf Zulassung der Berufung.
  27. II.
  28. 2
  29. Der nach § 112e Satz 2 BRAO, § 124a Abs. 4 VwGO statthafte Antrag ist
  30. unbegründet; der geltend gemachte Zulassungsgrund ernstlicher Zweifel an der
  31. Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegt nicht vor. Entgegen der
  32. Auffassung der Beklagten hat der Kläger den Erwerb besonderer praktischer
  33. Erfahrungen im Arbeitsrecht (§ 5 Abs. 1 lit. c FAO) und insoweit auch "mindestens fünf Fälle aus dem Bereich des kollektiven Arbeitsrechts nach § 10 Nr. 2
  34. FAO" nachgewiesen.
  35. 3
  36. Entsprechend dem Verständnis des Begriffs "Fall" im Rechtsleben und
  37. im täglichen Gebrauch ist darunter grundsätzlich jede juristische Aufarbeitung
  38. eines einheitlichen Lebenssachverhalts zu verstehen, der sich von anderen Lebenssachverhalten dadurch unterscheidet, dass die zu beurteilenden Tatsachen und die Beteiligten verschieden sind (vgl. nur Senatsbeschlüsse vom
  39. 6. März 2006 - AnwZ (B) 36/05, BGHZ 166, 292 Rn. 12, vom 20. April 2009
  40. - AnwZ (B) 48/08, BRAK-Mitt. 2009, 177 Rn. 7 und vom 12. Juli 2010
  41. - AnwZ (B) 85/09, BRAK-Mitt. 2010, 270 Rn. 3). Insoweit hat der Anwaltsgerichtshof zutreffend entschieden, dass es sich bei den zu Nr. 84 und 85 der klägerischen Fall-Liste aufgeführten Sachverhalten nicht um einen, sondern um
  42. zwei Fälle handelt.
  43. 4
  44. Nach § 5 Abs. 1 lit. c Satz 2, 3 FAO gelten als Fälle des kollektiven Arbeitsrechts auch solche des Individualarbeitsrechts, in denen kollektives Arbeitsrecht eine nicht unerhebliche Rolle spielt; Beschlussverfahren sind insoweit
  45. nicht erforderlich. Hierbei dürfen nach der Senatsrechtsprechung an den Kollek-
  46. - 4 -
  47. tivbezug keine allzu strengen Anforderungen gestellt werden. Vielmehr reicht es
  48. aus, wenn eine Frage aus dem kollektiven Arbeitsrecht erheblich werden kann
  49. und einen wesentlichen Anteil an der argumentativen Auseinandersetzung hat;
  50. es hindert die Berücksichtigung nicht, wenn das kollektive Arbeitsrecht lediglich
  51. Anspruchs- oder Regelungsgrundlage für individuelle Ansprüche oder Maßnahmen ist (vgl. nur Senatsbeschluss vom 6. November 2000 - AnwZ (B) 75/99,
  52. BRAK-Mitt. 2001, 87, 88). Ausgehend von diesem Maßstab hat der Anwaltsgerichtshof zutreffend entschieden, dass neben den Nr. 79 und 99 auch die
  53. Nr. 36, 84 und 85 der Fall-Liste des Klägers einen entsprechenden Bezug zum
  54. kollektiven Arbeitsrecht aufweisen.
  55. III.
  56. 5
  57. Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO i.V.m.
  58. - 5 -
  59. § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 194 Abs. 1 Satz 1 BRAO,
  60. § 52 Abs. 1 GKG.
  61. Kayser
  62. Lohmann
  63. Frey
  64. Seiters
  65. Martini
  66. Vorinstanz:
  67. AGH Celle, Entscheidung vom 16.01.2012 - AGH 31/11 -