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1 year ago
  1. Nachschlagewerk: ja
  2. BGHSt
  3. : nein
  4. Veröffentlichung : ja
  5. StPO § 105
  6. Die Rüge unzulässiger Verwertung von Durchsuchungsfunden
  7. erfordert einen Widerspruch in der Hauptverhandlung.
  8. BGH, Urteil vom 9. Mai 2018
  9. 5 StR 17/18
  10. LG Hamburg
  11. ECLI:DE:BGH:2018:090518U5STR17.18.0
  12. BUNDESGERICHTSHOF
  13. IM NAMEN DES VOLKES
  14. URTEIL
  15. 5 StR 17/18
  16. vom
  17. 9. Mai 2018
  18. in der Strafsache
  19. gegen
  20. wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln
  21. ECLI:DE:BGH:2018:090518U5STR17.18.0
  22. -2-
  23. Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 9. Mai 2018,
  24. an der teilgenommen haben:
  25. Richter am Bundesgerichtshof
  26. Prof. Dr. Sander
  27. als Vorsitzender,
  28. die Richter am Bundesgerichtshof
  29. Prof. Dr. König,
  30. Dr. Berger,
  31. Prof. Dr. Mosbacher,
  32. Köhler
  33. als beisitzende Richter,
  34. Staatsanwältin als Gruppenleiterin
  35. als Vertreterin des Generalbundesanwalts,
  36. Rechtsanwalt
  37. als Verteidiger,
  38. Justizangestellte
  39. als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
  40. -3-
  41. für Recht erkannt:
  42. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 9. Oktober 2017 wird verworfen.
  43. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
  44. - Von Rechts wegen -
  45. Gründe:
  46. 1
  47. Das Landgericht hat den Angeklagten wegen „unerlaubten bewaffneten
  48. Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge“ zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Hiergegen richtet
  49. sich die mit einer Verfahrensrüge und der Verletzung materiellen Rechts begründete Revision des Angeklagten. Die Staatsanwaltschaft hat ihre auf die
  50. Nichtanordnung einer Einziehung beschränkte Revision im Hinblick auf das Urteil des Senats vom 10. April 2018 (5 StR 611/17) vor der Hauptverhandlung
  51. zurückgenommen. Die Revision des Angeklagten hat keinen Erfolg.
  52. 2
  53. 1. Nach den Feststellungen des Landgerichts bewohnte der Angeklagte
  54. unangemeldet eine Wohnung in einem Mehrfamilienhaus in Hamburg. Diese
  55. diente als Lagerstätte und Umschlagplatz für umfangreichen Drogenhandel.
  56. Nach Bestellung von Betäubungsmitteln wie Marihuana, Haschisch, MDMA,
  57. Amphetamin und Kokain im „Darknet“ portionierte der Angeklagte gemäß einer
  58. ihm von einem unbekannten Mittäter verschlüsselt überlassenen Liste die Drogen aus dem in der Wohnung vorgehaltenen Vorrat, verpackte sie luftdicht und
  59. machte sie versandfertig. Hierfür erhielt er eine Entlohnung in unbekannter Höhe. Bei einer Durchsuchung wurden in der Wohnung ca. 3,7 kg Marihuana
  60. -4-
  61. (365,3 g THC), ca. 266 g Haschisch (35,21 g THC), ca. 1,8 kg MDMA (1,151 kg
  62. MDMA-Base), ca. 8,4 kg Amphetamine (794 g Amphetamin-Base) und ca. 3 g
  63. Kokain gefunden. An der Wohnungstür im Flur stand ein Schuhschrank, auf
  64. dem sich in einer Schale offen sichtbar eine Dose Pfefferspray befand. Dieses
  65. diente – wie der Angeklagte wusste – der Sicherung der illegal gelagerten Betäubungsmittel.
  66. 3
  67. 2. Die Revision des Angeklagten bleibt ohne Erfolg.
  68. 4
  69. a) Die auf ein Beweisverwertungsverbot gerichtete Verfahrensrüge ist
  70. unzulässig, weil sie nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO
  71. entspricht. Danach muss der Revisionsführer sämtliche Tatsachen unterbreiten,
  72. die das Revisionsgericht für die Prüfung benötigt, ob – den Vortrag als zutreffend unterstellt – die erhobene Rüge Erfolg haben kann; zudem muss die Angriffsrichtung
  73. der
  74. Rüge
  75. klar
  76. sein
  77. (st.
  78. Rspr.,
  79. vgl.
  80. nur
  81. Cirener/Herb,
  82. NStZ-RR 2018, 97 mwN).
  83. 5
  84. aa) Vorliegend rügt die Revision die Verwertung von in der Wohnung gefundenen Betäubungsmitteln vor folgendem Hintergrund: Die Wohnungsdurchsuchung erfolgte zunächst aufgrund eines gegen den gemeldeten Wohnungsinhaber F.
  85. wegen Betrugsvorwürfen richterlich angeordneten Durchsu-
  86. chungsbeschlusses. Nachdem die Polizei durch eine offenstehende Tür die
  87. Wohnung betreten, niemanden angetroffen, aber zufällig Rauschgift gefunden
  88. und teilweise sichergestellt hatte, wechselte sie das Schloss aus und wartete.
  89. Als der Angeklagte die Wohnung betreten wollte, wurde er festgenommen. Am
  90. nächsten Tag setzten die Polizeibeamten die Durchsuchung fort und stellten
  91. weitere Betäubungsmittel sicher. Der Verwertung der an diesem Tag sichergestellten Beweismittel hatte der Verteidiger in der Hauptverhandlung widersprochen; nur insoweit rügt die Revision einen Verstoß gegen ein Beweisverwertungsverbot.
  92. -5-
  93. 6
  94. bb) Der Vortrag zum Widerspruch ist unvollständig. Hängt die Beachtung
  95. eines Beweisverwertungsverbots in der Revisionsinstanz von der Erhebung
  96. eines Widerspruchs in der Hauptverhandlung ab, muss der Revisionsführer
  97. hierzu vollständig vortragen (vgl. Cirener/Herb, aaO, S. 99 mwN).
  98. 7
  99. (1) Die Erhebung eines Widerspruchs ist auch bei Beweisverwertungsverboten, die aus Fehlern bei einer Wohnungsdurchsuchung resultieren sollen,
  100. Voraussetzung einer entsprechenden Revisionsrüge. Soweit der 2. Strafsenat
  101. – in diesem Punkt nicht tragend – die gegenteilige Auffassung vertreten hat
  102. (vgl. BGH, Urteil vom 6. Oktober 2016 – 2 StR 46/15, BGHSt 61, 266 =
  103. NStZ 2017, 367 m. Anm. Basdorf; offen gelassen von BGH, Urteil vom 18. April 2007 – 5 StR 546/06, BGHSt 51, 285, 296 f.), vermag der Senat dem nicht zu
  104. folgen.
  105. 8
  106. Beweisverwertungsverbote, die aus einem Verstoß gegen Verfahrensvorschriften bei der Beweisgewinnung abgeleitet werden, werden durch den
  107. jeweiligen Gesetzesverstoß begründet und sind in jeder Lage des Verfahrens
  108. von Amts wegen zu beachten (BGH, Beschlüsse vom 1. Dezember 2016
  109. – 3 StR 230/16, NJW 2017, 1828, 1829 mwN, und vom 22. Februar 2018
  110. – StB 29/17, Rn. 24). Unterlässt es der verteidigte Angeklagte, in der Hauptverhandlung der Beweisverwertung zu widersprechen, führt dies für die Revision
  111. zur Rügepräklusion (BGH, Beschluss vom 20. Oktober 2014 – 5 StR 176/14,
  112. BGHSt 60, 38, 43 f. mwN; vgl. auch BGH, Beschlüsse vom 27. September 2016
  113. – 4 StR 263/16, und vom 9. November 2005 – 1 StR 447/05, BGHSt 50, 272).
  114. Das Recht, sich auf das Verwertungsverbot zu berufen, geht verloren, wenn der
  115. verteidigte (oder entsprechend belehrte) Angeklagte in der tatrichterlichen Verhandlung der Verwertung und der ihr vorangehenden Beweiserhebung nicht
  116. widersprochen hat (BGH, Beschluss vom 27. Februar 1992 – 5 StR 190/91,
  117. BGHSt 38, 214, 226 mwN).
  118. -6-
  119. 9
  120. Sinn und Zweck der Widerspruchsobliegenheit ist es, auf den Einwand
  121. des Betroffenen hin dem Tatgericht in der Hauptverhandlung die Möglichkeit
  122. und Veranlassung zu geben, dem gerügten Verfahrensfehler freibeweislich im
  123. Einzelnen nachzugehen (vgl. BGH, Beschluss vom 11. September 2007
  124. – 1 StR 273/07, BGHSt 52, 38, 42 f.). Dem verteidigten Angeklagten (und den
  125. sonst von einem Beweisverwertungsverbot Betroffenen) wird im Interesse der
  126. Schonung von Justizressourcen – orientiert am Subsidiaritätsgedanken – die
  127. frühestmögliche zumutbare Geltendmachung einer Rechtsverletzung abverlangt, um in der Hauptverhandlung vor dem Tatgericht die Frage des Verwertungsverbots eingehend prüfen und gegebenenfalls Abhilfe schaffen zu können
  128. (vgl. ausführlich dazu Basdorf, StV 2010, 414, 416; Mosbacher, FS Rissing-van
  129. Saan, 2011, S. 357 ff. mwN). Dementsprechend folgt die Begründung des Widerspruchserfordernisses nicht aus der Dispositionsbefugnis des Angeklagten,
  130. sondern aus dem Gedanken subsidiären Rechtsschutzes. Eine Differenzierung
  131. des Widerspruchserfordernisses innerhalb unselbständiger Beweisverwertungsverbote überzeugt deshalb nicht (Basdorf, NStZ 2017, 370, 371).
  132. 10
  133. (2) Es fehlt am Vortrag, welche Betäubungsmittel konkret am 27. April und welche am 28. April 2017 sichergestellt worden sind. Dies hätte sich
  134. mutmaßlich – wie der Generalbundesanwalt in seiner Zuschrift bemerkt – aus
  135. den von der Revisionsbegründung lediglich in Bezug genommenen Durchsuchungsberichten vom 28. April und 2. Mai 2017 ergeben, deren Inhalt nicht näher mitgeteilt wird. Damit bleibt letztlich unklar, gegen die Verwertung welcher
  136. Betäubungsmittelfunde sich der Widerspruch des Angeklagten in der Hauptverhandlung gerichtet hat und inwieweit die Beweisverwertung überhaupt gerügt
  137. wird.
  138. 11
  139. b) Die Überprüfung des Urteils auf die Sachrüge hin deckt keinen
  140. Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf. Die auf rechtsfehlerfreier Beweiswürdigung beruhenden Feststellungen tragen den Schuldspruch (vgl. zur
  141. -7Tenorierung BGH, Urteil vom 19. Januar 2017 – 4 StR 334/16 und Beschluss
  142. vom 3. Februar 2015 – 3 StR 632/14). Die Zumessung der Strafe ist angesichts
  143. der Rauschgiftmenge überaus milde.
  144. Sander
  145. König
  146. Mosbacher
  147. Berger
  148. Köhler