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1 year ago
  1. 5 StR 257/04
  2. BUNDESGERICHTSHOF
  3. BESCHLUSS
  4. vom 20. Juli 2004
  5. in der Strafsache
  6. gegen
  7. wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
  8. Menge
  9. -2-
  10. Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 20. Juli 2004
  11. beschlossen:
  12. 1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des
  13. Landgerichts Berlin vom 7. Januar 2004 nach § 349
  14. Abs. 4 StPO mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit eine Entscheidung über die Unterbringung
  15. des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt unterblieben
  16. ist.
  17. 2. Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO
  18. als unbegründet verworfen.
  19. 3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des
  20. Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
  21. G r ü n d e
  22. Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe
  23. von zwei Jahren und zwei Monaten verurteilt. Die auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten ist unbegründet, soweit sie sich gegen den Schuldspruch und den Strafausspruch richtet. Das Urteil hat jedoch
  24. keinen Bestand, soweit das Landgericht die Prüfung einer Unterbringung des
  25. Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) unterlassen hat, obwohl
  26. sich dies aufdrängte.
  27. -3-
  28. Nach den Urteilsfeststellungen konsumierte der Angeklagte bereits bis
  29. zu seiner Verhaftung im Jahr 1995 Kokain. Nachdem er in sein Heimatland
  30. abgeschoben worden war, gelang es ihm nach eigenen Angaben, dort von
  31. Drogen abstinent zu leben. Nach seiner Rückkehr nach Deutschland und der
  32. Trennung von seiner Ehefrau im Jahr 2001 begann der Angeklagte erneut,
  33. erhebliche Mengen Kokain zu konsumieren; insbesondere fing er auch an,
  34. das Rauschgift zu schlucken, was eine besonders intensive Form des Konsums darstellt. Erst durch den Einfluß seiner neuen Lebensgefährtin gelang
  35. es ihm, diese Art des Konsums aufzugeben und seinen Verbrauch einzuschränken. Gleichwohl konsumierte er bis zu seiner Inhaftierung in dieser
  36. Sache regelmäßig Kokain. Die Tat, bei deren Begehung er nach eigenen
  37. Angaben unter Kokaineinfluß stand, beging er, um den eigenen Drogenkonsum finanzieren zu können. Feststellungen zur Menge des vom Angeklagten
  38. konsumierten Rauschgifts hat das Landgericht allerdings nicht getroffen. Der
  39. Angeklagte, der sich bereits an die Suchtberatungsstelle des Caritasverbandes für Berlin gewandt hatte und zweimal an einer Orientierungsgruppe sowie dreimal an Einzelgesprächen teilgenommen hatte, beabsichtigte, sich
  40. einer ambulanten Drogenentwöhnungsbehandlung zu unterziehen.
  41. Bei dieser Sachlage hätte das Landgericht mit Hilfe eines Sachverständigen (§ 246a StPO) prüfen und entscheiden müssen, ob die Taten auf
  42. einen Hang des Angeklagten zum übermäßigen Konsum von berauschenden
  43. Mitteln zurückzuführen sind und deshalb die Gefahr besteht, daß er infolge
  44. des Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Beim Vorliegen
  45. der rechtlichen Voraussetzungen darf die Anordnung nach § 64 StGB nur
  46. unterbleiben, wenn keine hinreichend konkrete Aussicht auf einen Behandlungserfolg besteht (vgl. BVerfGE 91, 1 ff.), was hier allerdings angesichts
  47. der getroffenen Feststellungen eher fernliegt. Die Unterbringung nach § 64
  48. StGB hat auch Vorrang vor der Sonderregelung der §§ 35, 36 BtMG, da
  49. letztere erst im Vollstreckungsverfahren Platz greifen und nicht auf das Erkenntnisverfahren Einfluß haben können (BGHR StGB § 64 Ablehnung 7, 8).
  50. -4-
  51. Einer Unterbringung durch den neuen Tatrichter steht nicht entgegen,
  52. daß allein der Angeklagte Revision eingelegt hat (§ 358 Abs. 2 Satz 2 StPO;
  53. vgl. BGHSt 37, 5). Die Nichtanwendung des § 64 StGB wurde – auch auf
  54. ausdrückliche Nachfrage – nicht vom Revisionsangriff ausgenommen (vgl.
  55. BGHSt 38, 362).
  56. Der Senat schließt aus, daß das Landgericht bei Anordnung der Unterbringung auf eine niedrigere Strafe erkannt hätte. Der Strafausspruch
  57. kann daher bestehen bleiben.
  58. Harms
  59. Basdorf
  60. Raum
  61. Gerhardt
  62. Brause