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132 lines
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1 year ago
  1. 5 StR 132/09
  2. BUNDESGERICHTSHOF
  3. BESCHLUSS
  4. vom 5. Mai 2009
  5. in der Strafsache
  6. gegen
  7. wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern u. a.
  8. -2-
  9. Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 5. Mai 2009
  10. beschlossen:
  11. 1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des
  12. Landgerichts Göttingen vom 12. November 2007 nach
  13. § 349 Abs. 4 StPO unter Aufrechterhaltung der Feststellungen
  14. a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte
  15. des sexuellen Missbrauchs von Kindern (§ 176 Abs. 4
  16. Nr. 1 und 4 StGB in zwei tateinheitlich zusammentreffenden Fällen) schuldig ist,
  17. b) im Strafausspruch aufgehoben.
  18. 2. Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO
  19. als unbegründet verworfen.
  20. 3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des
  21. Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
  22. G r ü n d e
  23. 1
  24. Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchter Nötigung in
  25. Tateinheit mit versuchtem sexuellem Missbrauch von Kindern in Tateinheit
  26. mit sexuellem Missbrauch von Kindern in zwei rechtlich zusammentreffenden
  27. Fällen zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Die Revision des Angeklagten führt mit
  28. -3-
  29. der Sachrüge zur Änderung des Schuldspruchs und zur Aufhebung des
  30. Strafausspruchs. Das weitergehende Rechtsmittel ist unbegründet im Sinne
  31. des § 349 Abs. 2 StPO.
  32. 2
  33. 1. Der Schuldspruch kann insoweit keinen Bestand haben, als der Angeklagte wegen versuchter Nötigung in Tateinheit mit versuchtem sexuellem
  34. Missbrauch von Kindern verurteilt worden ist.
  35. 3
  36. a) Das Landgericht ist rechtsfehlerhaft von einem Versuch der Nötigung nach § 240 StGB ausgegangen. Der Angeklagte hat dem geschädigten
  37. Kind gedroht, er werde ihm den „Penis in den Arsch stecken“, falls dieses
  38. nicht seiner Forderung nachkomme, seinen – des Angeklagten – Penis anzufassen und zu reiben. Bei einem solchen Verhalten ist eine Drohung mit Gewalt gegen den Leib des Opfers gegeben (vgl. BGH NStZ 2001, 246; NStZRR 2003, 42). Damit stellt sich die Tat als Versuch einer sexuellen Nötigung
  39. nach § 177 Abs. 1 Nr. 2, §§ 22, 23 StGB dar.
  40. 4
  41. b) Vom danach gegebenen Versuch der sexuellen Nötigung ist der
  42. Angeklagte jedoch strafbefreiend zurückgetreten. Das Landgericht hat hierzu
  43. festgestellt, dass das Kind sich der Drohung des Angeklagten nicht gebeugt
  44. habe (UA S. 6). Der Angeklagte habe nunmehr erkannt, dass er den Widerstand des Jungen ohne Anwendung noch massiverer Drohungen oder gar
  45. von Gewalt nicht brechen und sein ursprüngliches Vorhaben somit nicht habe in die Tat umsetzen können; deswegen habe er von seinem ursprünglichen Tatplan abgesehen und vor dem Jungen masturbiert (UA S. 7).
  46. 5
  47. Mit Recht beanstandet die Revision, dass auf der Grundlage dieser
  48. Feststellungen die Ablehnung eines strafbefreienden Rücktritts vom Versuch
  49. der (sexuellen) Nötigung keinen Bestand haben kann. Die Strafkammer orientiert sich maßgebend daran, welche Nötigungsmittel der Angeklagte nach
  50. seinem Tatplan ursprünglich zur Tatvollendung einsetzen wollte, und nimmt
  51. danach einen fehlgeschlagenen Versuch an. Das steht nicht in Einklang mit
  52. -4-
  53. der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Hiernach reicht der
  54. freiwillige Verzicht auf eine ohne weitere Zäsur als noch möglich erkannte
  55. Tatbestandsverwirklichung, auch wenn sie über den ursprünglichen Tatplan
  56. hinausgeht, zum strafbefreienden Rücktritt vom unbeendeten (dann nicht
  57. etwa fehlgeschlagenen) Versuch aus (vgl. BGHSt 39, 221, 228; BGH
  58. NStZ-RR 1997, 259; 2002, 168; jeweils m.w.N.). Für die Beurteilung der
  59. Rücktrittsfrage ist es unerheblich, dass der Angeklagte seine geschlechtliche
  60. Befriedigung dann durch andere sexuelle Handlungen zu erlangen suchte
  61. (BGH NStZ 1997, 385; NStZ-RR 2002, 168; s. auch BGH StV 1996, 372).
  62. 6
  63. Der Senat vermag dem Gesamtzusammenhang der Urteilsfeststellungen nicht zu entnehmen, dass der Angeklagte zur Anwendung massiverer
  64. Nötigungsmittel aus subjektiven Gründen außerstande gewesen wäre. Er
  65. schließt aus, dass dies noch festzustellen ist, so dass dem Angeklagten ein
  66. strafbefreiender Rücktritt vom unbeendeten Versuch der (sexuellen) Nötigung zuzubilligen ist.
  67. 7
  68. c) Entgegen der Rechtsauffassung des Generalbundesanwalts gilt für
  69. den Versuch des sexuellen Missbrauchs von Kindern nach § 176 Abs. 1
  70. StGB nichts anderes. Auch insoweit ist ein strafbefreiender Rücktritt möglich,
  71. wenn der Täter seine Aufforderung zur Vornahme sexueller Handlungen unter Ausnutzung seiner vom Tatopfer anerkannten Autorität mit größerem
  72. Nachdruck hätte wiederholen können (BGH StV 1995, 634; 1996, 372;
  73. NStZ-RR 1996, 161). Dass der Angeklagte vorliegend in unmittelbarem Zusammenhang mit der Aufforderung an das geschädigte Kind zu einer Drohung griff, belegt nicht seine Einschätzung, nur noch mit gesteigerten Nötigungsmitteln zum Ziele kommen zu können. Denn er verfügte weiterhin über
  74. eine breite Palette von Handlungsmöglichkeiten unterhalb von Gewalt oder
  75. Drohung. So hätte er, was ihm gewiss auch bewusst war, seine Aufforderung
  76. wiederholen und mit größerem Nachdruck, etwa in schärferem Ton, erneuern
  77. können. Wenn er im Bewusstsein dieser Möglichkeiten von der weiteren Tat-
  78. -5-
  79. ausführung Abstand nahm, so war dies ein freiwilliger und mithin strafbefreiender Rücktritt.
  80. d) Der Senat ändert den Schuldspruch demgemäß in entsprechender
  81. 8
  82. Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO dahingehend ab, dass der Angeklagte
  83. des sexuellen Missbrauchs von Kindern nach § 176 Abs. 4 Nr. 1 und 4 StGB
  84. (in zwei tateinheitlich zusammentreffenden Fällen) schuldig ist. Im Hinblick
  85. auf den Wegfall der – im Vergleich dazu schwerer wiegenden – Vorwürfe des
  86. Versuchs der Nötigung und des Versuchs des sexuellen Missbrauchs von
  87. Kindern nach § 176 Abs. 1 StGB ist nicht auszuschließen, dass das Landgericht auf eine geringere Strafe erkannt hätte, wenn es insoweit zutreffend
  88. vom Rücktritt vom Versuch ausgegangen wäre. Der Strafausspruch war deshalb aufzuheben.
  89. 9
  90. e) Sämtliche Feststellungen sind rechtsfehlerfrei getroffen und können
  91. deshalb bestehen bleiben. Das neue Tatgericht ist nicht gehindert, ergänzende Feststellungen zu treffen, soweit sie den bisherigen nicht widersprechen.
  92. 10
  93. 2. In Übereinstimmung mit den Ausführungen des Generalbundesanwalts in seiner Antragsschrift vom 30. März 2009 ist das Verfahren aufgrund
  94. vom Angeklagten nicht zu vertretender Umstände um etwa ein Jahr verzögert worden. Dies wird das neue Tatgericht nach den dafür geltenden
  95. Grundsätzen (BGHSt [GS] 52, 124, 146 ff., Rdn. 55 ff.) zu berücksichtigen
  96. haben.
  97. Basdorf
  98. Schaal
  99. Dölp
  100. Schneider
  101. König