Search on legal documents using Tensorflow and a web_actix web interface
You can not select more than 25 topics Topics must start with a letter or number, can include dashes ('-') and can be up to 35 characters long.

189 lines
7.5 KiB

1 year ago
  1. Nachschlagewerk:
  2. ja
  3. BGHSt:
  4. nein
  5. Veröffentlichung:
  6. ja
  7. StPO §§ 338 Nr. 1 Buchst. b, 222 b Abs. 2 Satz 2; GVG §§ 77, 45
  8. Beginnt eine Hauptverhandlung nach begründetem Besetzungseinwand neu, sind
  9. die für den Tag des neuen Sitzungsbeginns ausgelosten Schöffen zur Mitwirkung
  10. berufen; das gilt auch dann, wenn die neue Hauptverhandlung an einem Tag beginnt, der von Anfang an als (Fortsetzungs-)Sitzungstag bestimmt war. In einem solchen Fall setzt die Zulässigkeit einer auf § 338 Nr. 1 Buchst. b StPO gestützten Rüge nicht stets die namentliche Mitteilung der ordnungsgemäßen Schöffenbesetzung
  11. voraus.
  12. BGH, Urteil vom 26. Juni 2002 - 2 StR 60/02 - LG Meiningen
  13. BUNDESGERICHTSHOF
  14. IM NAMEN DES VOLKES
  15. 2 StR 60/02
  16. URTEIL
  17. vom
  18. 26. Juni 2002
  19. in der Strafsache
  20. -2gegen
  21. wegen Untreue u.a.
  22. -3-
  23. Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 26. Juni
  24. 2002, an der teilgenommen haben:
  25. Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
  26. Dr. Rissing-van Saan
  27. als Vorsitzende,
  28. Richter am Bundesgerichtshof
  29. Dr. h.c. Detter,
  30. Richterin am Bundesgerichtshof
  31. Dr. Otten,
  32. Richter am Bundesgerichtshof
  33. Prof. Dr. Fischer
  34. und Richterin am Bundesgerichtshof
  35. Elf
  36. als beisitzende Richter,
  37. Staatsanwalt
  38. als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
  39. Rechtsanwalt
  40. als Verteidiger,
  41. Justizangestellte
  42. als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
  43. für Recht erkannt:
  44. -4-
  45. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Meiningen vom 12. November 2001 aufgehoben, soweit
  46. der Angeklagte verurteilt worden ist.
  47. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch
  48. über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer
  49. des Landgerichts zurückverwiesen.
  50. Von Rechts wegen
  51. Gründe:
  52. Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Untreue in vier Fällen und
  53. wegen Vorenthaltens von Arbeitsentgelt in 25 Fällen unter Freispruch im übrigen bzw. Einstellung des Verfahrens zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem
  54. Jahr und drei Monaten verurteilt und die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung ausgesetzt.
  55. Die gegen die Verurteilung gerichtete Revision des Angeklagten, mit der
  56. er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt, hat mit einer Verfahrensrüge Erfolg.
  57. -5-
  58. I.
  59. Der Beschwerdeführer beanstandet zu Recht, die Richterbank sei auf
  60. Seiten der mitwirkenden Schöffen T.
  61. V.
  62. und U.
  63. H.
  64. nicht ord-
  65. nungsgemäß besetzt gewesen (§ 338 Nr. 1 b StPO).
  66. 1. a) Folgendes Verfahrensgeschehen liegt zugrunde: Die Hauptverhandlung war ursprünglich terminiert auf den 17. Oktober 2001 mit Fortsetzungsterminen, darunter auch der Termin vom 24. Oktober 2001. Die Schöffen
  67. V.
  68. und H.
  69. waren die für den 17. Oktober ausgelosten Hauptschöffen.
  70. Sie wurden durch die Geschäftsstelle der Strafkammer zum Termin vom
  71. 17. Oktober 2001 nicht geladen und erschienen zum vorgesehenen Sitzungsbeginn nicht. Die Hauptverhandlung begann verspätet mit dem noch erreichten
  72. Hauptschöffen H.
  73. und dem Hilfsschöffen A.
  74. P.
  75. . Nach Vernehmung
  76. des Angeklagten zur Person erhob der Verteidiger hinsichtlich des Hilfsschöffen den Einwand der vorschriftswidrigen Besetzung. Diesem gab die Kammer
  77. statt. Der Vorsitzende ordnete an, mit der Hauptverhandlung solle neu begonnen werden am 24. Oktober 2001, einem der vorgesehenen Fortsetzungstermine, in der zuvor mitgeteilten Besetzung mit den Schöffen V.
  78. und H.
  79. .
  80. In der Hauptverhandlung vom 24. Oktober 2001 machte der Verteidiger
  81. erneut den Einwand der vorschriftswidrigen Besetzung - nunmehr hinsichtlich
  82. beider Schöffen - geltend. Das Landgericht wies den Besetzungseinwand zurück. Es vertrat die Auffassung, die für den ursprünglichen Prozeßbeginn ausgelosten Schöffen seien zuständig geblieben, weil die Hauptverhandlung in der
  83. Gerichtsbesetzung noch innerhalb der vorgesehenen Terminstage beginnen
  84. konnte.
  85. -6-
  86. 1. b) Der Beschwerdeführer ist der Ansicht, da die Hauptverhandlung
  87. - wie nach einer Aussetzung - neu begonnen habe, seien die Hauptschöffen
  88. der Schöffenliste für den Sitzungstag 24. Oktober 2001 die zur Mitwirkung berufenen Schöffen. Er trägt vor, diese seien nicht identisch mit den Schöffen
  89. V.
  90. und H.
  91. . Letztere seien in der Schöffenliste für den Terminstag
  92. 24. Oktober 2001 weder als Hauptschöffen noch als Ersatz- oder Hilfsschöffen
  93. vorgesehen.
  94. 2. Die Rüge ist zulässig und begründet.
  95. a) Das Revisionsvorbringen genügt unter den vorliegenden Umständen
  96. den Begründungserfordernissen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO.
  97. Aus dem Vortrag, die für den 24. Oktober 2001 vorgesehenen Hauptschöffen seien die zur Mitwirkung berufenen Schöffen, kann entnommen werden, daß es sich um einen ordentlichen Sitzungstag der Kammer handelte
  98. (§§ 77, 45, 47 GVG), für den - wie die Revision weiter ausführt - die Schöffen
  99. V.
  100. und H.
  101. weder als Hauptschöffen noch als Ersatz- oder Hilfsschöffen
  102. in der Schöffenliste bestimmt gewesen seien. Für die behauptete fehlende
  103. Identität der herangezogenen Schöffen mit den für den 24. Oktober zuständigen Schöffen spricht der Inhalt des Beschlusses, mit dem der Besetzungseinwand zurückgewiesen wurde. Bei gegebener Personenidentität hätte es der
  104. Begründung, daß die für den ursprünglichen Prozeßbeginn am 17. Oktober
  105. 2001 ausgelosten Schöffen zuständig geblieben seien, nicht bedurft. Es kann
  106. dahinstehen, ob die Revision stets die ordnungsgemäße Besetzung namentlich
  107. mitteilen muß (vgl. für die Fälle der Hinzuziehung von Hilfsschöffen BGH NJW
  108. 1991, 50 m.w.N.; BGHSt 36, 138). Bei der vorliegenden besonderen Verfahrenssituation war es nicht geboten, die Schöffen zu benennen, welche bei rich-
  109. -7-
  110. tiger Gesetzesanwendung am 24. Oktober 2001 zur Mitwirkung berufen waren
  111. (vgl. KK-Kuckein StPO, 4. Aufl. § 338 Rdn. 52).
  112. b) Zutreffend geht die Revision davon aus, daß mit den für den
  113. 24. Oktober ausgelosten Schöffen hätte verhandelt werden müssen.
  114. Die Auffassung der Kammer, die Zuständigkeit der für den ursprünglichen Prozeßbeginn ausgelosten Schöffen ergebe sich daraus, daß die Haup tverhandlung noch innerhalb der vorgesehenen Terminstage beginnen konnte,
  115. ist rechtsfehlerhaft. Schöffen werden nicht für bestimmte Strafverfahren, sondern für bestimmte Sitzungstage ausgelost. Nur an den für sie ausgelosten ordentlichen Sitzungstagen sind die Hauptschöffen zur Mitwirkung als Richter
  116. berufen (BGHSt 17, 176). Der Vorsitzende ordnete hier nach einem erfolgreichen Besetzungseinwand der Verteidigung (§ 222 b Abs. 2 StPO) an, mit der
  117. Hauptverhandlung solle erneut begonnen werden. Es kann offenbleiben, ob in
  118. einem solchen Fall die Hauptverhandlung auszusetzen ist (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO 45. Aufl. § 222 b Rdn. 12) oder ob sie mit Erlaß
  119. des Beschlusses nach § 222 b Abs. 2 Satz 2 StPO ohne weiteres beendet wird
  120. (vgl. KK-Tolksdorf, 4. Aufl. § 222 b Rdn. 16 m.w.N.), jedenfalls muß mit der
  121. Hauptverhandlung neu begonnen werden (vgl. Schlüchter in SK-StPO § 222 b
  122. Rdn. 23). Von einem faktischen Neubeginn ist zwar auch das Landgericht ausgegangen, wie die Anordnung des Vorsitzenden belegt. Eine neue Hauptverhandlung kann aber nur mit den für den Tag des Neubeginns ausgelosten
  123. Schöffen erfolgen, das hat das Landgericht verkannt. Die für den Sitzungstag
  124. vom 24. Oktober ausgelosten Hauptschöffen waren daher die zur Mitwirkung
  125. berufenen Richter. Die Schöffen V.
  126. und H.
  127. waren nicht die gesetzli-
  128. chen Richter. Daher war das Urteil mit den Feststellungen aufzuheben.
  129. -8-
  130. II.
  131. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat hinsichtlich der tatbestandlichen Anforderungen des § 266 a StGB auf BGH, Beschl. v. 28. Mai 2002
  132. - 5 StR 16/02 - hin (zum Abdruck in BGHSt bestimmt).
  133. Rissing-van Saan
  134. Detter
  135. Fischer
  136. Otten
  137. Elf